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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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sie sich zu schließen, nie zu blinzeln, nicht eine Bewegung des Gegners schien ihnen zu entgehen. Und kaum hatten diese Augen eine Öffnung wahrgenommen, eine Gelegenheit, Verheerungen anzurichten, reagierten die dazugehörigen Hände auch schon. Das alles war fast von Beginn an da. Martin sah auch, daß Clay nicht nur schnell war, sondern ebenso mutig, und in Bedrängnis einen kühlen Kopf bewahrte. Selbst unter Profiboxern reduziert die Gefahr einen Kämpfer oft auf seine törichtesten Instinkte: die Gefahr veranlaßte Floyd Patterson, gedankenlos in Sonny Listons linke Geraden zu laufen; die Gefahr zwang George Foreman, in Panik zu geraten und auf Muhammad Ali einzudreschen, bis er keine Kraft mehr in den Armen hatte. Ein wahrer Kämpfer kann in Bedrängnis denken, und auch dies war eine Fähigkeit, die Clay schon sehr früh bewies. »Cassius wußte genau, wie er zu kämpfen hatte, wenn es hart wurde«, sagte Martin zu Jack Olsen, dem Autor von
Black Is Best
. »Nie geriet er in Panik oder vergaß, was ich ihm beigebracht hatte. Wurde er getroffen, dann wurde er nicht wild, schlug nicht wild drauflos, wie manche Jungen es tun. Er steckte den Treffer weg und fing an zu boxen, sich aus dem Schlamassel herauszuboxen, wie ich es ihm beigebracht hatte.«
    Es ginge sicher zu weit, würde man sagen, Clay habe in seinem Kampf gegen Ronnie O’Keefe ein ungewöhnliches Talent gezeigt. Doch während der folgenden ein, zwei Jahre erwies er sich nicht nur als außerordentlich begabt, zeigte nicht nur flinke Füße und Fäuste und übernatürliche Reflexe, die schon die frühesten seiner Amateurgegner und -richter beeindruckten, sondern trainierte auch mit einer Härte und Ausdauer, wie man es in Louisville bis dahin selten gesehen hatte. Von dem Augenblick an, als Clay seinen ersten Kampf gewonnen hatte, erzählte er seinen Eltern, wenn er abends nach Hause kam, er werde einmal Weltmeister, und dann werde er ihnen allen neue Autos und ein neues Haus kaufen, und das alles sagte er nicht mit jenem verklärten Fatalismus, der in Filmporträts von Sportlern so beliebt ist (»Und dieser Homerun ist für dich, Ma!«), sondern eher beiläufig, humorvoll. Er redete nicht nur darüber. Clay lebte praktisch im Boxkeller. Er rauchte und trank nie. Ein paarmal schnüffelte er mit ein paar Freunden die Dämpfe aus einem Benzintank – seine einzige Erfahrung mit Halluzinogenen. Er hatte einen Ernährungswahn. Ständig hatte er eine Flasche Wasser mit Knoblauch dabei – eine Lösung, wie er sagte, die den Blutdruck niedrig halte und ihn selbst gesund. Zum Frühstück bevorzugte er ein eigenes Nährgebräu, einen Liter Milch mit zwei rohen Eiern. Er verkündete, Limonade sei so tödlich wie Zigaretten.
    Clays Disziplin überzeugte Martin, daß er eine Zukunft als Boxer hatte. Clay stand morgens zwischen vier und fünf auf, lief dann mehrere Kilometer, trainierte nachmittags im Boxkeller, wobei er stets länger als die anderen blieb, die dann nach Hause zum Essen gingen. »Er wollte immer nur laufen und trainieren und sparren«, sagte Jimmy Ellis, der zu der Zeit ebenfalls im Columbia Gym trainierte und WBA -Weltmeister im Schwergewicht wurde, nachdem Clay derTitel 1967 wegen seiner Weigerung, nach Vietnam zu gehen, aberkannt worden war. »Solange einer da war, mit dem er boxen konnte, boxte er.«
    »Schon als Kind redete er immer davon, daß sein Körper rein sei, ein Tempel«, sagte sein Klassenkamerad Beverly Edwards. »In der Cafeteria brauchte er immer zwei Tabletts für seinen Lunch: sechs kleine Flaschen Milch, stapelweise Sandwichs, warmes Essen von der Warmhaltetheke. Mann, konnte der essen! Aber es war immer was Gesundes – Treibstoff für sein Boxen.«
    Cassius Clay hatte etwas überaus Liebenswertes, Naives. Trotz seiner Kraft und obwohl er schon eine lokale Berühmtheit war, da er immer häufiger in
Tomorrow’s Champions
zu sehen war, legte er sich nie mit jemandem an. Er war kein Straßenkämpfer. Der Football-Trainer zeigte Interesse an ihm, er aber keines an Football. »Beim Football kann man sich verletzen!« sagte er. »Und das wäre schlecht fürs Boxen.« Und so gut er auch aussah, bei den Mädchen hatte er es nicht besonders leicht. Er flirtete, schenkte der einen oder anderen seine Golden Gloves-Nadel und redete vom Heiraten und Kinderkriegen, doch wenn es an die elementareren Dinge ging, war er ratlos. In der vorletzten High School-Klasse ging er mit einem klugen und hübschen Mädchen namens Areatha Swint, die die

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