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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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die Frage nach seiner Medaille sagte: ›Ich weiß nicht mehr, wo ich die habe.‹ Auch sagte er, er habe das Buch nichtgelesen. Also diskreditierte er das Buch gewissermaßen, was ungerecht den Geschichten gegenüber war, die er Richard erzählt hatte, und auch denjenigen, die Richard erfunden hatte, um einen bestimmten Aspekt hervorzuheben.«
    »Die Geschichte mit der Goldmedaille stimmte nicht, aber wir mußten sie eben glauben«, sagte James Silberman, der damalige Cheflektor von Random House. »Nach einer Weile glaubte Ali sie selbst, wie das manchmal eben so ist. Als er jung war, nahm er alles mit einem Augenzwinkern, selbst die Tatsachen seines eigenen Lebens.«
    Wenngleich
The Greatest
die Gutgläubigkeit auf eine harte Probe stellte, da das Buch versuchte, eine Paul Bunyansche Heldengeschichte für die Nation of Islam zu stricken, hat die Boxkarriere Cassius Clays tatsächlich einen Schöpfungsmythos vorzuweisen. Dieser Mythos hat zudem den Vorteil, wahr zu sein. Es ist die Geschichte vom gestohlenen Fahrrad.
    An einem Nachmittag im Oktober 1954, als Clay zwölf Jahre alt war, fuhren er und ein Freund mit dem Fahrrad zum Columbus Auditorium, in dem die Jahresversammlung des Louisville Service Club stattfand, ein Basar, der von schwarzen Kaufleuten veranstaltet wurde. Den Jungen war vor allem an dem kostenlosen Popcorn und Eis gelegen, das die Kaufleute verteilten, und daran, den Tag herumzubringen. Außerdem wollte Clay sein neues Fahrrad vorführen, ein rotweißes Schwinn, das sechzig Dollar gekostet hatte. Die beiden streiften einige Stunden zwischen den Ständen umher und beschlossen dann, wieder nach Hause zu fahren. Es wurde schon spät. Doch als sie dahin kamen, wo sie ihre Fahrräder abgestellt hatten, war das neue Schwinn weg.
    Clay war in Tränen aufgelöst. Jemand sagte ihm, im Untergeschoß des Gebäudes, in dem auch ein Boxzentrum untergebracht war, das Columbia Gym, sei ein Polizist. Clay lief rasend vor Wut hinunter, verlangte eine landesweiteGroßfahndung nach seinem Fahrrad und drohte, denjenigen, der es gestohlen hatte, windelweich zu prügeln.
    Der Beamte, ein weißhaariger Mann namens Joe Martin, lächelte über Clays Drohungen. Martin wartete, bis er fertig geschimpft hatte. Er hatte nichts Besonderes vor. Martin war ein lockerer Zeitgenosse. Seine Freunde nannten ihn scherzhaft Sergeant: Nach fünfundzwanzig Dienstjahren war es ihm nie in den Sinn gekommen, die Sergeantprüfung zu machen. Er lebte gut, fuhr mit einem Cadillac herum und machte jedes Jahr Urlaub in Florida. Auf seiner Runde leerte er Parkuhren. In seiner Freizeit leitete er das Zentrum und produzierte eine lokale Amateurboxsendung,
Tomorrow’s Champions
, die Samstag nachmittags von dem Lokalsender WAVE-TV , einem Ableger von NBC , ausgestrahlt wurde.
    Martin hörte sich eine Weile Clays laute Racheschwüre an und sagte dann: »Weißt du überhaupt, wie man kämpft?«
    »Nein«, sagte Clay, »aber ich würde trotzdem kämpfen.«
    Martin meinte, es wäre vielleicht das beste, wenn er ins Boxzentrum käme.
    »Lern lieber erst mal was übers Kämpfen, bevor du jemanden vorschnell herausforderst.«
    Schon bald ging Clay regelmäßig in Martins Boxzentrum in der South Fourth Street, und nachdem er sechs Wochen lang die Grundzüge des Boxens gelernt hatte, trat er zu seinem ersten Kampf an. Sein Gegner war ebenfalls ein Grünschnabel, er hieß Ronnie O’Keefe. Beide Jungen wogen vierzig Kilo. Der Kampf ging über drei Runden, jede Runde dauerte eine Minute. Die Jungen trugen große Vierzehn-Unzen-Handschuhe, mit denen sie aufeinander eindroschen, bis sie beide Kopfschmerzen hatten. Clay landete ein paar Treffer mehr und siegte nach Punkten, wenn auch nicht einstimmig. Auf die Entscheidungsverkündung hin schrie er allen zu, er werde bald »der Größte aller Zeiten« sein.
    Anfangs konnte Clay »einen linken Haken nicht von einem Tritt in den Hintern« unterscheiden, sagte Martin später, doch indem er größer und kräftiger wurde, entwickelte er ein Gefühl für den Ring und einen Kampfstil, der Puristen zum Wahnsinn trieb. Ganz ähnlich wie Sugar Ray Robinson hielt er die Hände tief, schickte linke Gerade ab und tänzelte auf den Zehen durch den Ring. Seine beste Verteidigung war seine Schnelligkeit, seine unheimliche Fähigkeit, den Schlag des Gegners abzuschätzen und sich gerade so weit zurückzubeugen, daß er nicht getroffen werden konnte – und dann zurückzuschlagen. Clay hatte bemerkenswerte Augen. Nie schienen

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