King of the World
»saftige« Rechnung (2,50 Dollar). Dann gingen sie über die Straße ins Birdland, einen trinken – dort nahm Clay sein erstes alkoholisches Getränk zu sich: eine Cola mit einem Tropfen, buchstäblich einem Tropfen Whiskey. Clay fand es großartig, wenn er im Restaurant oder auf der Straße erkannt wurde und man ihm gratulierte (»Die kennen mich! Die kennen mich!«). Er selbst sorgte dafür, daß dies auch geschah, indem er sein offizielles Olympia-Jackett und seine Goldmedaille um den Hals trug. Nach einerVerdauungstour durch Harlem endete die Nacht in Clays Zimmer im Waldorf-Astoria, wo er in einer Suite residierte, die ihm ein Aluminiumbaron aus Louisville namens William (»Call me Billy«) Reynolds spendiert hatte. Reynolds hatte die Absicht, ein Paket für Clays Profikarriere zu schnüren, bei dem Joe Martin Trainer sein und Reynolds selbst Finanzierung und Management übernehmen sollte. Gegen Ende von Clays High-School-Zeit hatte Reynolds ihm einen leichten Sommerjob als Gartenarbeiter auf seinem Anwesen vor den Toren Louisvilles verschafft. Jetzt, in New York, bezahlte Reynolds ihm die Unterkunft und schenkte ihm dazu noch einen Packen Dollar, die er bei Tiffany’s ausgeben sollte, was Clay nur zu gern tat; er kaufte seiner Mutter, seinem Vater und seinem Bruder je eine Uhr. »Nie schwebte einer so im Himmel wie Cassius Clay, als er mit seiner Medaille um den Hals zurückkam«, sagte Schaap. »Er war so aufgedreht, er hätte eine ganze Woche lang aufbleiben können.« Gegen zwei Uhr morgens, als Schaap ernsthaft erwog, nach Hause zu gehen und sich ins Bett zu legen, bestand Clay darauf, daß sie zu ihm ins Waldorf gingen.
»Komm schon«, sagte er. »Wir können auf mein Zimmer gehen und uns mein Sammelalbum ansehen.« Was sie dann auch taten.
Schließlich flog Clay zurück nach Louisville, wo ihm auf dem Flughafen Standford Field ein Heldenempfang bereitet wurde. Seit 1905, als der Lokalmatador Marvin Hart Jack Root schlug und damit Schwergewichtsmeister wurde, hatte es in Louisville ein solches Boxereignis nicht mehr gegeben. Der Bürgermeister Bruce Hoblitzell, sechs Cheerleader und dreihundert Fans jubelten ihm auf dem Rollfeld zu, und die Stadt stellte einen Autokorso mit fünfundzwanzig Fahrzeugen bereit. Clay steuerte die Lyrik bei:
To make America the greatest ist my goal.
So I beat the Russian and I beat the Pole
And for the USA won the Medal of Gold.
Italians said: You’re greater than the Cassius of old
.
(»Amerika zum größten Land zu machen ist mein Ziel. / Also schlug ich den Russen und den Polen / Und gewann für die USA die Goldmedaille. / Die Italiener sagten: Du bist größer als der alte Cassius.«)
Es war furchtbar, doch das störte keinen weiter. Eine Kolonne Polizeiautos eskortierte die Karawane, die schließlich vor der Central High School zum Stillstand kam. Ein Trupp Cheerleader begrüßte den heimkehrenden Helden mit einem riesigen Banner, auf dem stand: »Welcome Home Champ!« Atwood Wilson, der Rektor, der Clay so viele Male vor Peinlichkeiten und Mißerfolgen bewahrt hatte, trat ans Mikrofon und sagte: »Wenn wir all die Anstrengungen bedenken, die unternommen werden, um das Ansehen Amerikas zu untergraben, können wir dankbar sein, daß wir einen so großartigen Botschafter nach Italien schicken konnten.« Bürgermeister Hoblitzell war nicht weniger begeistert. »Sie gereichen Louisville und Ihrem Berufsstand zur Ehre«, sagte er, und die über tausend Schüler, Lehrer und anderen Leute aus der Stadt jubelten. »Sie sind ein Vorbild für die jungen Menschen dieser Stadt.«
Vor seinem Haus in der Grand Street sang Clay senior »God Bless America«, stolz auf seine neu gestaltete Haustreppe: er hatte sie rot, weiß und blau gestrichen. Odessa verkündete ein vorgezogenes Thanksgiving-Fest, und so aß die Familie Truthahn zum Abendessen.
Eine Zeitlang war das Leben für Clay eine einzige Parade. Einige Wochen nach seiner Rückkehr fand er, er müsse noch einmal durch die Straßen der Stadt fahren. Er stellte sich aufdie Rückbank eines rosafarbenen Cadillac und rief aus: »Ich bin Cassius Clay! Ich bin der Größte!« Dann wandte er sich zu Wilma Rudolph, die aus Tennessee zu Besuch gekommen war, und erklärte: »Und das ist Wilma Rudolph. Sie ist auch die Größte!«
»Setz dich doch«, sagte Wilma, die sich im Sitz verkroch.
»Komm schon, Wilma. Steh auf, Wilma!«
»Nein, das kann ich nicht.«
Nachdem Clay sie noch einige Male zur Mit-Größten erklärt
Weitere Kostenlose Bücher