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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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Polen.
    Clay hatte seine Mission in Rom erfüllt, allerdings mit einem Stil, der einigen der älteren Journalisten sauer aufstieß. Die Großen hatten zu kämpfen wie Joe Louis und Rocky Marciano, sie hatten sich reinzuknien und ihren Gegner auf die Bretter zu schicken. A. J. Liebling befaßte sich in seinen Boxerinnerungen mit Pierce Egans Ringkompendium
Boxiana
aus dem achtzehnten Jahrhundert sowie dem tunesischen Chronisten Ibn Khaldun aus dem vierzehnten Jahrhundert; er fand Clay interessant, historisch gesehen aber unzulänglich. Liebling schrieb im
New Yorker
, es sei zwar amüsant, Clay zuzusehen, es fehle ihm jedoch das Bedrohliche, das ein ganz Großer einfach brauche. Liebling störte sich nicht an Clays lyrischen Ambitionen – sogleich erinnerte er seine Leser an Bob Gregson, den »Lancashire Giant«, der Boxverse wie den folgenden schrieb: »The British lads that’s here / Quite strangers are to fear.« (»Den britischen Jungs hier / Ist Angst völlig unbekannt.«) Vielmehr war es Clays Art zu boxen, bei der Liebling Zweifel hatte. »Ich habe mir Clays Kämpfe in Rom angesehen und fand sie attraktiv, aber sie bewiesen nichts«, schrieb er. »Clay hatte einen hüpfenden Stil, wie ein Kiesel, den man übers Wasser schleudert. Er war gut anzusehen, aber er schien seine Gegner immer nur zu streifen. Sicher, der Pole wirkte während des Dreirundenkampfs hilflos und schwer auf den Beinen, doch ich fand, ihm war einfach nur die Puste ausgegangen, weil er Clay immer hinterherlief, und dannmachte Clay ihn natürlich fertig … Ein Boxer, der die Beine so sehr einsetzt wie Clay in Rom, riskiert in einem längeren Kampf, langsamer zu werden.«
    Trotz aller Vorbehalte Lieblings bekam Clay seine Goldmedaille, auf der das Wort PUGILATO prangte. »Ich sehe ihn noch vor mir, wie er im olympischen Dorf herumstolziert, seine Goldmedaille um den Hals«, sagte Wilma Rudolph. »Er schlief damit. Er ging damit in die Cafeteria. Nie nahm er sie ab. Keinem war sie so wertvoll wie ihm.« Er trug die Medaille noch wochenlang, selbst im Bett. »Zum ersten Mal in meinem Leben schlief ich auf dem Rücken«, sagte Clay. »Das mußte ich, sonst hätte sich die Medaille mir in die Brust gebohrt.«
    Nach der Verleihungszeremonie fragte ihn ein Reporter aus der Sowjetunion, wie es sei, Ruhm für ein Land errungen zu haben, das ihm das Recht verweigerte, bei Woolworth in Louisville etwas zu essen.
    »Sagen Sie Ihren Lesern, daß wir qualifizierte Leute haben, die an diesem Problem arbeiten, und daß ich mir über das Ergebnis keine Sorgen mache«, sagte Clay. »Für mich sind die USA noch immer das beste Land der Welt, einschließlich dem Ihren. Auch wenn es manchmal schwierig ist, genug zu essen zu bekommen, kämpfe ich doch nicht gegen Alligatoren und wohne auch in keiner Lehmhütte.« Diese Bemerkung wurde als Beweis dafür, daß Clay ein guter Bürger war, in Dutzenden amerikanischer Zeitungen abgedruckt. Über zehn Jahre später machte der Autor von
The Greatest
seinen Lesern sehr deutlich, daß dies ein Fehler gewesen war. Dennoch hatte Clay es gesagt; es war weniger ein Fehler als vielmehr ein Reflex seiner Jugend, an dem sich zeigte, wie grundlegend er sich während der folgenden Jahre ändern sollte.
    Am nächsten Morgen bemerkte Clay auf einem Streifzug durchs Dorf, daß die Menge plötzlich von ihm weg zu einemälteren Mann strömte. »Wer ist das?« fragte Clay einen Freund.
    »Das ist Floyd Patterson«, sagte der Freund. »Der Weltmeister.«
    »Komm, den will ich kennenlernen.«
    Clay ging zu Patterson und stellte sich vor.
    Später sagte Clay, dieser habe ihn wie Luft behandelt. »Floyd gratulierte mir mit einem schlaffen Händedruck«, sagte er. »Das tat weh. Der Kerl beleidigte mich, und eines Tages sollte er dafür bezahlen.«
     
    Clay flog nach New York zurück, wo Dick Schaap ihn am Flughafen Idlewild abholte. Schaap war begeistert von Clays Auftritt im Fernsehen und überzeugter denn je, daß, wenn Boxen eine Zukunft hatte, diese von Clay verkörpert wurde. Die ganze Nacht durch bis zum nächsten Morgen zogen Schaap und Clay durch Manhattan. Sie landeten zunächst in einer Passage am Times Square, wo sie sich eine Scherzzeitung mit der Schlagzeile CASSIUS FORDERT PATTERSON HERAUS drucken ließen.
    »Zu Hause glauben sie, die ist echt«, sagte Clay. »Das merken die gar nicht.«
    In Jack Dempseys Restaurant aßen sie zu Abend; Clay aß ein Roastbeef-Sandwich und ein Stück Käsekuchen und staunte über die

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