King of the World
Phänomen, gegen Clay zu kämpfen: »Nach und nach lief alles auf einmal schief. Er pickt dich und hackt dich, hackt dich und pickt dich, bis du nicht mehr weißt, wo du bist.«
Da war nun endlich mal ein junger Mann, der von Phantasien seiner eigenen Kraft und Herrlichkeit und seinem sprühenden Geist aufgeladen war und der auch noch alles mitbrachte, um diese Phantasien zu erfüllen. Zuallererst war er ein großer Kämpfer. »Als ich sah, wie Muhammad gegen Sonny Banks wieder aufstand, sich über die Runde rettete, sich wieder erholte und dann noch gewann – in der Nacht habe ich mich in den Jungen verliebt«, sagte Dundee. Zwischen diesen vielfältigen Prüfungen im Ring ließ Clay es sich gutgehen. Für 500 Dollar übernahm er eine kleine Rolle in
Requiem for a Heavyweight
, der Geschichte eines kaputten alten Kämpfers, gespielt von Anthony Quinn, der von Jackie Gleason gedrängt wird, noch mehr Kämpfe anzunehmen. Clay spielte natürlich die Rolle des dreisten Herausforderers.
Im November 1962 unterschrieb Clay den Vertrag für einen Kampf, der wie eine Episode aus
Requiem
war. Er sollte gegen Archie Moore antreten, der mittlerweile (mehr oder weniger) siebenundvierzig war und zweihundert Kämpfe auf dem Buckel hatte. »Ich war ja nicht blöd, ich wußte genau, wie alt ich war, und ich kannte Clay, weil ich ihn doch eine Zeitlang trainiert hatte«, erzählte mir Moore Jahrzehnte später, »aber ich hatte ein ganz gutes Gefühl bei ihm, ich glaubte, wenn ich mich reinhängte, könnte ich ihn schlagen.Ich müßte technisch besser sein als er oder warten, bis er müde wurde. Er war ja noch so jung, und beim Boxen weiß man vorher nie, was ein junger Mann bringen kann.«
In Wahrheit jedoch brauchte Moore dringend die Börse. Seine einzige Chance war, daß sich durch Clays Unerfahrenheit eine Lücke auftat, die Chance auf eine Rechte und einen Knockout. Den Buchmachern zufolge war das unwahrscheinlich. Die Wetten standen drei zu eins für Clay, und der prophezeite einen schnellen Abend. »When you come to the fight, don’t block the aisle, and don’t block the door. You will all go home after round four.« (»Wenn Sie zum Kampf kommen, halten Sie den Gang frei und auch die Tür. Sie gehen alle nach Hause nach Runde vier.«)
Clay und Moore füllten die Arena in Los Angeles bis auf den letzten Platz, nicht zuletzt deshalb, weil sie ihr Verbalsparring auf jedem nur möglichen Forum aufführten, besonders im Fernsehen. Die beiden Kämpfer inszenierten sogar eine halbstündige Scheindebatte.
»Ich falle in der vierten Runde nur dann, Cassius, wenn ich über deinen ausgestreckten Leib stolpere«, sagte Moore.
»Wenn ich verliere«, sagte Clay (als Echo auf Gorgeous George), »krieche ich durch den Ring und küsse dir die Füße. Danach verlasse ich das Land.«
»Erniedrige dich nicht«, entgegnete der alte Mann. »Unser Land braucht seine Jugend. Ich begreife nicht, wie du dich überhaupt erträgst. Ich bin ein Redner, kein Volksverhetzer. Ich bin ein Unterhalter, du bist ein Schreihals!«
Moore spielte den onkelhaften Älteren gegenüber dem flegelhaften Möchtegern. Nach der Debatte sinnierte er über den jungen Mann aus einer gewissen professoralen Distanz. »Ich betrachte diesen jungen Mann mit gemischten Gefühlen«, sagte er. »Manchmal klingt er witzig, manchmal aber klingt er auch wie Ezra Pounds Lyrik. Er ist wie einer, derwunderschön schreiben kann, aber die Interpunktion nicht beherrscht. Er hat den Überschwang des zwanzigsten Jahrhunderts, aber irgendwo in ihm steckt etwas Bitteres … Gewiß kommt er zu einer Zeit, die ein neues Gesicht in der Boxszene, am Faustkämpferhorizont braucht. Doch in seinem Eifer, dieser Mann zu sein, könnte er sein Blatt überreizen, indem er andere herabsetzt … Es ist mir gleich, was Cassius sagt. Er kann mich nicht wütend machen. Ich will nur eines, ihn k. o. schlagen.«
Als die beiden Kämpfer dann ohne Mantel und in ihrer Promotionpose in der Arena standen, war der körperliche Unterschied unmöglich zu übersehen. Clay war geschmeidig wie ein Otter, schön und noch nicht einmal auf dem Gipfel seiner Stärke. Moore war im mittleren Alter. Seine Haare wurden schon grau. Fett schwabbelte an seinen Armen. Die Hose war bis zu den Brustwarzen hochgezogen.
In der ersten Runde verschaffte Clay sich einen Überblick. Moore galt als schnell (nicht mehr) und als hinterlistig, als Meister des schnellen verdeckten Punchs. Und indem Clay seine Jabs auf Moores Gesicht
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