King of the World
vollkommensten Körper, den ich je gesehen hatte, sowohl vom künstlerischen wie auch vom anatomischen Standpunkt aus, sogar, was seine Gesundheit betraf. Da gab es nichts zu verbessern. Wenn einer von einem anderen Planeten gekommen wäre und gesagt hätte: ›Gebt uns euren Besten‹, dann hätte man ihm Ali gegeben. Vollkommen proportioniert, gutes Aussehen, Blitzreflexe und ein großer Sportsgeist. Sogar eine Erkältung war am nächsten Tag weg.«
Das Boxpublikum in Miami allerdings überschlug sich nicht gerade wegen Clay – jedenfalls nicht, bis Ingemar Johansson zu seinem Rückkampf gegen Patterson in die Stadt kam. Für die Publicity des Kampfs war Harold Conrad zuständig, ein flotter Lebemann mit einem öligen Charme, der ihn zum Stammgast im »21«, im Stork Club und im Toots Shor’s machte. Conrad war auch ein Bindeglied zu den Tagen Damon Runyons und Walter Winchells, der alten Broadwaysaloon-Blase, wenngleich er einen Joint einem Martini vorzog. Noch vor der Erfindung des Rock and Roll war er dem Haschisch zugetan. Auch besaß er einen unglaublichen Instinkt für Promotion. Conrad hatte von Clay gehört – besonders von Clays Mundwerk –, und er meinte, es könne dem Ticketverkauf für den Patterson-Kampf guttun, wenn er Clay öffentlich mit Johansson sparren ließ. Johanssonhatte zuwenig Sparringspartner, also war er bereit dazu, und Clay wollte natürlich unbedingt Aufmerksamkeit. Seine spontane Antwort war kein schlichtes Ja, sondern: »Ich geh mit Johansson tanzen.«
Johansson, der Patterson in ihrem ersten Kampf demontiert hatte, merkte plötzlich, daß er einen Neunzehnjährigen, der erst ein paar Kämpfe vorzuweisen hatte, nicht hart anfassen durfte. Der Schwede war nie ein eleganter Kämpfer gewesen, nun aber war er eine Marionette mit gekappten Schnüren. Er stolperte hinter Clay her, versuchte, Schritt zu halten, und dabei schoß Clay ihm unablässig seinen Jab ins Gesicht und schrie ihm dabei zu: »Ich müßte eigentlich gegen Patterson kämpfen, nicht du! Na komm schon, du Lahmarsch, was ist los? Kriegst du mich nicht?« Je länger Clay seine Jabs und seinen Spott abfeuerte, desto wütender und frustrierter wurde Johansson, bis sein Trainer, der legendäre Whitey Bimstein, der Geschichte nach zwei strapaziösen Runden ein Ende machte.
»Ich hatte schon ein bißchen von Clay gehört, aber als ich mir dieses irrsinnige Spektakel da ansah, dachte ich: ›Mein Gott! Was haben wir da nur?‹« sagte Gil Rogin, der damals für die
Sports Illustrated
schrieb. »Wir waren noch eine ziemlich kleine Zeitschrift – wir hatten 1954 angefangen –, und was ich da sah, war die wichtigste Story, die wir je hatten. Zum großen Teil bauten wir die ganze Zeitschrift mit dieser Geschichte auf.«
Bei seiner Rückkehr als Profi in seine Heimatstadt trat Clay gegen Lamar Clark an, einen harten Schwergewichtler, der fünfundvierzigmal hintereinander durch K. o. gewonnen hatte. Erstmals als Profi machte Clay eine Voraussage: Clark würde in der zweiten flach liegen. Was auch geschah. In der zweiten Runde brach Clay Clark die Nase und schickte ihn zweimal zu Boden, worauf der Ringrichter den Kampf beendete.»Je selbstsicherer er wurde, desto mehr brach sein natürlicher Überschwang durch«, sagte Pacheco. »Alles war für ihn ein ungeheurer Spaß. Vielleicht wäre es weniger lustig gewesen, wenn jemand ihm ein paar an die Ohren gegeben hätte, aber das tat keiner. Niemand stopfte ihm das Maul. Und so sagte er weiterhin voraus und siegte, sagte voraus und siegte. Es war wie bei Candide: er glaubte einfach nicht, daß in dieser besten aller möglichen Welten etwas Schlimmes passieren könnte.«
Clays nächster Kampf fand in Las Vegas statt. Es ging gegen einen mächtigen Hawaiianer, Duke Sabedong. Zum ersten Mal mußte er richtig fighten. Sabedong hatte eigentlich keine Chance, gegen Clay zu gewinnen – der Unterschied zwischen ihren Fähigkeiten war von Anfang an klar –, doch er begann, Clay mit Tiefschlägen einzudecken, und hoffte das Beste. Clay siegte in zehn Runden nach Punkten, es war sein bis dahin längster Kampf. Doch was er davor gelernt hatte, war vielleicht noch lehrreicher.
Eine von Clays Pflichten bei der Werbekampagne vor dem Kampf war ein Auftritt in einer lokalen Radiosendung mit Gorgeous George, dem überragenden Wrestler jener Zeit. Gorgeous George (seine Mutter kannte ihn als George Raymond Wagner) war der erste Wrestler des Fernsehzeitalters, der die Möglichkeiten des
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