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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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schrieb er, »der Gefahr läuft, ein schrecklicher Langweiler zu werden.«
     
    Bei seinem nächsten Kampf ein Vierteljahr später im Londoner Wembley-Stadion gegen Henry Cooper erging es Clay nicht viel besser. Wieder war er favorisiert, und wieder verlor er die Konzentration. Erneut war seine Promotion vor dem Kampf besser, als jeder Promoter zu hoffen gewagt hätte: Er stolzierte mit Melone und Stock in London herum und bezeichnete den Buckingham-Palast als »klasse Hütte«. Doch er trieb seine Spielereien auch noch im Ring und setzte so seine Chance auf einen Titelkampf aufs Spiel.
    Cooper galt als Kämpfer mit einem einzigen Schlag, er besaß den, wie seine Landsleute es nannten, »’Enrys ’ammer«. Doch Clay schien das nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Gleich zu Beginn des Kampfs schenkte Cooper Clay kräftig ein. Clay war schneller, und seine Geraden flogen gegen Coopers Stirn, doch Cooper, der vor 55000 Engländern boxte, war glänzend eingestellt und wurde viel langsamer müde als eine Antiquität wie Archie Moore. In der vierten Runde hatte Cooper Clay an den Seilen und landete einen furchtbaren Treffer, der Clay auf den Hintern setzte. Clays Mund bildete ein kleines »O« des Schmerzes und der Überraschung.Clay war rasch wieder auf den Beinen, und die Runde war zu Ende.
    In der Ecke bemerkte Angelo Dundee einen kleinen Riß in der Naht von Clays Handschuh. Hätte sein Mann klar in Führung gelegen und hätte er keine Verzögerung gebraucht, dann hätte Dundee den Fehler vielleicht nicht weiter beachtet, so aber machte er ihn sich zunutze; er steckte den Finger in das Loch und riß die Naht noch weiter auf. Dann rief er den Ringrichter heran und zeigte ihm den Riß. Während der darauffolgenden Auszeit bearbeitete Dundee Clay mit nassen Schwämmen und Riechsalz, und als der Gong zur fünften Runde ertönte, hatte sich der Nebel vor seinen Augen gelichtet, und er war bereit. Da er einen Sieg in der fünften Runde prophezeit hatte, machte er sich mit einem gewissen missionarischen Eifer ans Werk und bearbeitete Cooper mit zermürbenden Jabs und Haken, die Coopers Gesicht plötzlich in ein Flußdelta verwandelten, sosehr strömte das Blut von Stirn und Wangen.
    Endlich wandte sich der Ringrichter Tommy Little Cooper zu und drängte ihn zurück.
    »Der Kampf ist vorbei, Kumpel«, sagte er.
    »Für ’n ›Penner‹ und ’n ›Krüppel‹ war das gar nicht mal so schlecht«, sagte Cooper beim Gehen.
    Clay behauptete, er habe bei Coopers mächtigem Treffer in der vierten nur deshalb aufgemacht, weil er zu lange zu Elizabeth Taylor hingesehen habe, die vorn am Ring saß. Die Skeptischeren unter den Berichterstattern des Kampfs waren anderer Meinung. Der Junge, schrieben sie, sei manchmal amüsant und er habe auch Potential, aber er sei noch nicht soweit. Sogar Senator Kefauver, der sich für einen Professor des Kampfsports zu halten schien, erklärte vor der Presse feierlich, es werde noch »viele Jahre« dauern, bis Cassius Clay die Reife habe, um den Titel zu kämpfen.
    Nur der Meister selbst fand das nicht. Er brauchte nicht lange zu warten. Liston hatte seinen Manager Jack Nilon als seinen Emissär nach London geschickt, und nach dem Kampf ging Nilon zu Clay in die Kabine, um ihm die Nachricht zu überbringen. »Ich bin dreitausend Meilen geflogen, um Ihnen zu sagen, daß wir soweit sind«, sagte Nilon.
     
    Natürlich war Nilon sicher, daß er der Botschafter des Löwen war, der dem Lamm seine Bereitschaft zum Angriff überbrachte. Nach dem Kampf gegen Jones und der schwankenden Leistung gegen Henry Cooper sah Listons Lager in Cassius Clay ausschließlich leichtverdientes Geld. Nach seinem zweiten Sieg über Patterson hatte Liston keine weiteren Kämpfe mehr angenommen. Sein Bild als Vernichter gründete auf den zwei Minuten, die er benötigte, um den Titel zu erringen, und den zwei Minuten, um ihn zu verteidigen. Und nun wartete er auf Clay. Trotz der mangelhaften Auftritte des jungen Mannes gegen Jones in New York und Cooper in London versprach kein anderer Herausforderer in der Szene ähnliche Einnahmen – und für Liston würden nur wenige Herausforderer leichter abzufertigen sein.
    Clay wußte, daß Liston glaubte, er habe ihn am Würfeltisch in Las Vegas besiegt. Nun mußte er das psychologische Gleichgewicht der Kräfte verändern. Daher beschloß Clay, noch bevor die beiden Kämpfer sich überhaupt zu Vertragsverhandlungen zusammensetzten, er müsse den Bären aus seinem Winterschlaf und

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