King of the World
war, seine Miete selbst bezahlt und sei mit dreizehn als Schiffsjunge zur Marine gegangen. »Ich habe die Operationen im Pazifik und Atlantik mitgemacht und kenne die Mysterien des Lebens«, sagte er einmal mit typischemSchwulst. »Ich weiß alles über Männer und Frauen und Liebe und Tod und Macht und Ruhm.« Er verließ die Marine, nachdem er einen Offizier mit einem Hackmesser bedroht hatte. Danach trieb er sich herum, machte Gelegenheitsjobs, arbeitete für Boxer. Nach einigen Jahren fiel er bei Clay in Ungnade – nicht zuletzt, als er seinen Meisterschaftsgürtel für 500 Dollar einem Friseur in Harlem verkaufte –, doch die beiden Männer kommunizierten auf einer Ebene der Magie und Liebe, die sich von dem eher normalen Umgang Dundees mit seinem Kämpfer grundlegend unterschied. Bundini weinte, wenn Clay getroffen wurde, bei einem Sieg vergoß er Freudentränen. Jahre später, nachdem er in vielen Kämpfen in der Ecke gearbeitet hatte, sagte er: »Vor dem Kampf wird mir immer schlecht. Dann komme ich mir vor wie eine Schwangere. Schlägt er zu, schlage ich auch zu. Wird er getroffen, habe ich Schmerzen. Ich kann es nicht erklären, aber manchmal weiß ich, was er macht, noch bevor er es selber weiß.«
Gegen Doug Jones brauchte Clay alles, was Bundini ihm an Einfühlungsvermögen geben konnte. Unmittelbar vor dem Kampf standen die Wetten zwei zu eins für Clay, doch er sah sich nicht nur nicht in der Lage, seine Voraussage eines K. o. in der sechsten Runde zu erfüllen, er tat Jones nicht einmal ernsthaft weh. Schließlich war er nur noch auf die ästhetischen Vorlieben der Kampfrichter und ihre guten Wünsche für die Zukunft angewiesen, denn Jones, der nur fünfundachtzig Kilo wog, sechs weniger als Clay, pendelte dessen Schläge gut aus, war flink auf den Beinen und trickreich. Den ganzen Abend schien es, als boxte Clay gegen eine Strandkrabbe.
Clay hätte den Kampf beherrschen müssen, jedenfalls meinte man das in der Arena. Doch Runde um Runde unterlief Jones Clays Jabs. Jones’ einziger Vorteil war seine Erfahrung,und die benutzte er, um den Kampf ausgeglichen zu gestalten, um seinerseits zu Treffern zu kommen. Allmählich begriffen die Zuschauer, daß Clay seine Frist nicht würde einhalten können; er konnte sogar von Glück sagen, wenn er überhaupt gewann. Die Gereiztheit der Menge, der unaufhörliche Lärm, das alles hatte weniger mit der Qualität des Boxens zu tun als mit der Erwartung, daß der Kampf kippte. »Während der ganzen Zeit, die ich diesen recht durchschnittlichen Kampf – gerade gut genug, um ihn sich überhaupt anzusehen – verfolgte«, sagte Liebling, »waren die neunzehntausend, die den Kampf mit mir sahen, nach dem Lärm, den sie machten, zu urteilen, Zeugen eines gewaltigen allegorischen Kampfs zwischen dem Bescheidenen Underdog und dem Dichter Mr. Aufgeblasenes Großmaul.«
Am Ende werteten die beiden Kampfrichter Frank Forbes und Artie Aidello fünf zu vier (eine Runde unentschieden), während der Ringrichter ihn unerklärlicherweise acht zu eins bei einem Unentschieden für Clay wertete. Die Menge, die sich während der mittleren Runden gegen den Dichter gewandt hatte, begann gleich nach der Entscheidungsverkündung zu buhen. Die Leidenschaftlichsten schleuderten zerknüllte Bierbecher, Zigarettenkippen und Papierflugzeuge durch die Luft. Clay nahm die Handschuhe ab, hob ein paar der Erdnüsse auf, die auf ihn geschleudert worden waren, schälte sie und aß sie theatralisch. Er reckte die Hand zur trotzigen Siegespose hoch, doch im Vergleich zu seinem üblichen Überschwang fiel die Geste eher förmlich aus. Er wußte, daß er versagt hatte. Anschließend fuhr Clay nach Harlem zu einer Siegesfeier, doch ihm war so schlecht vor Erschöpfung, daß er beinahe über seiner Siegertorte zusammengebrochen wäre. Mit Unterstützung einiger aus seinem Anhang schaffte er es zurück ins Hotel und schlief erst einmal lange aus.
»Ich bin nicht Superman«, sagte er untypischerweise. »Wenn die Fans meinen, ich könnte alles, was ich sage, sind sie noch verrückter als ich.«
Als die Zeitungen wieder zur Arbeit zurückkehrten, hatten Scharen von Kolumnisten nichts Eiligeres zu tun, als den jungen Kämpfer in die Pfanne zu hauen. Pete Hamill von der
New York Post
, damals viel jünger und liberaler als die bekannteren Kolumnisten, brachte seine Ungeduld und seine Abneigung gegenüber der jungen Sensation zum Ausdruck. »Cassius Clay ist ein junger Mann mit einer Menge Charme«,
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