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Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Titel: Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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müssen, aber ich war mir nicht sicher, ob ich irgend etwas drin behalten würde. Es war früher Nachmittag, und bis zum Abend brauchte ich glücklicherweise nirgends hin. Ich hing das Schild »Bitte nicht stören« an meine Tür, kroch wieder in das ungemachte Bett und schlang die Decken eng um mich. Meine Knochen hatten angefangen weh zu tun. Es dauerte lange, bis mir warm wurde.

13

    Das Telefon läutete alarmierend schrill, und ich erwachte mit einem Schlag. Das Zimmer war dunkel. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war, keine Ahnung, in welchem Bett ich lag. Ich tastete nach dem Hörer, fühlte mich erhitzt und rot und schob die Decken von mir, als ich mich auf die Ellenbogen stützte. Ich knipste das Licht an, schirmte meine Augen gegen den plötzlichen, grellen Glanz ab.
    »Hallo?«
    »Kinsey, hier ist Sharon. Haben Sie mich vergessen?«
    Ich sah auf meine Uhr. Es war halb neun. Mist. »Gott, das tut mir leid«, sagte ich. »Ich bin eingeschlafen. Sind Sie noch eine Weile dort? Ich kann gleich kommen.«
    »Na schön«, antwortete sie kühl, als hätte sie eigentlich etwas Besseres vor. »Oh, bleiben Sie dran. Da ist jemand an meiner Tür.«
    Sie legte mit einem Klappern den Hörer hin, und ich stellte mir vor, wie er jetzt auf dem harten Formica der Tischplatte lag. Ich lauschte beiläufig, während ich darauf wartete, daß sie wiederkäme. Ich konnte es nicht fassen, daß ich verschlafen hatte, und ich ohrfeigte mich wegen meiner Blödheit. Ich hörte die Tür aufgehen und Sharons gedämpften Ausruf der Überraschung. Und dann hörte ich einen kurzen, beinah hohlen Knall.
    Ich blinzelte, setzte mich jäh auf. Ich preßte das Ohr an die Muschel, drückte die Hand auf den Hörer. Was ging da vor sich? Der Hörer an ihrem Ende wurde aufgenommen. Ich erwartete ihre Stimme zu hören und hätte fast auch ihren Namen ausgesprochen, aber auf irgendeine Regung hin hielt ich den Mund. Atemgeräusche drangen an mein Ohr, die leisen, geschlechtslosen Laute von jemand leicht Abgehetztem. Es folgte ein geflüstertes »Hallo«, das mich erschauern ließ. Ich schloß die Augen, zwang mich zu schweigen; in meinem Körper hatte sich eine plötzliche Angst ausgebreitet, so daß mir das Herz bis zu den Ohren schlug. Ein leises, gehauchtes Lachen ertönte, und dann brach die Verbindung ab. Ich knallte den Hörer auf und griff nach meinen Schuhen, schnappte mir meine Jacke im Hinausgehen.
    Der Adrenalinstoß hatte alle Schmerzen aus meinem Körper vertrieben. Meine Hände zitterten, aber zumindest war ich in Bewegung. Ich schloß die Tür ab und ging rüber zum Wagen; meine Schlüssel klirrten, als ich versuchte, das Zündschloß zu finden. Ich ließ den Motor an, setzte rasch zurück und nahm Kurs auf Sharons Wohnung. Ich griff nach der Taschenlampe im Handschuhfach und prüfte sie. Das Licht war gut. Ich fuhr mit zunehmender Sorge. Sie trieb entweder Spielchen, oder sie war tot, und ich glaubte die Antwort zu kennen. Ich hielt auf der anderen Straßenseite. An dem Gebäude waren keine besonderen Anzeichen von Aktivität zu erkennen. Niemand lief herum. Keine Menschenmengen waren versammelt, keine Polizeiwagen an der Straße geparkt, keine heulenden Sirenen im Anzug. Zahlreiche Autos standen in der Parkreihe, und fast in jeder Wohnung des Gebäudes, die ich sehen konnte, brannte Licht. Ich langte auf den Rücksitz und holte ein Paar Gummihandschuhe aus meiner verschlossenen Aktentasche. Meine Hände berührten den kurzen Lauf meiner kleinen Automatic, und ich sehnte mich heftig danach, sie in meiner Windjacke zu verstauen. Ich war nicht sicher, was ich in ihrer Wohnung finden würde, war nicht sicher, wer auf mich warten mochte, aber der Gedanke, dort im Besitz einer geladenen Waffe entdeckt zu werden, falls sie tot war, war das allerletzte. Ich ließ die Pistole, wo sie war, und stieg aus, schloß mein Auto ab und steckte die Schlüssel in meine Jeans.
    Ich ging auf den Vorhof. Er war dunkel, aber mehrere Punktscheinwerfer waren strategisch entlang dem Gehsteig plaziert, sechs weitere, grüne und gelbe Scheinwerferkegel schossen entlang den Kakteen empor. Die Wirkung war eher bunt als lichtspendend. Sharons Appartement war dunkel, und die Lücke in den Vorhängen war zugezogen worden. Ich klopfte an die Tür. »Sharon?« Ich rief mit leiser Stimme, suchte zu erkennen, ob irgendwo in der Wohnung Licht anging. Ich zog die Gummihandschuhe an und probierte den Türknauf. Verschlossen. Ich klopfte nochmals, wiederholte ihren Namen.

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