Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
blinzelte und zwang meine Augen zur Anpassung. O Gott, wie sollte ich hier herauskommen?
    Ich verschaffte mir einen schnellen Überblick, indem ich den Lichtstrahl in einem 36o-Grad-Bogen stöbern ließ. Ich mußte die Fensterrahmengewichte verstecken, und es blieb nicht viel Zeit. Sie könnten mich schnappen, aber ich wollte nicht, daß sie die Mordwaffe in die Finger bekamen. Doch genau um die zu holen, waren sie hier. Ich ging zu dem Heizungskessel hinüber, der wuchtig und tot dastand und hier unten etwa so ominös wie ein Panzer wirkte. Ich zog die Tür auf und steckte die Gewichte hinein, wobei ich das Paket unten zwischen die Außenwand und das Gehäuse für den Gasbrenner klemmte. Das Scharnier gab ein schrilles Kreischen von sich, als ich die Tür zudrückte. Ich erstarrte und schaute automatisch hinauf, als ließe sich optisch einschätzen, wie weit das Geräusch getragen worden war.
    Stille über mir. Sie mußten inzwischen im Flur sein, mußten den Schaden, den ich hinterlassen hatte, gesehen haben. Jetzt lauschten sie auf mich, wie ich auf sie lauschte. Im Dunkel eines alten Hauses wie diesem kann ein Geräusch so irreführend wie die Stimme eines Bauchredners sein.
    Krampfhaft suchte ich nach einer Stelle, wo ich mich verstecken konnte. Jeder Winkel und jeder Spalt, den ich erblickte, war zu klein oder zu niedrig, um mir dienen zu können. Oben knarrte ein Dielenbrett. Sie würden nicht lange brauchen. Sie waren zu zweit. Sie würden sich aufteilen. Einer würde hinaufgehen, und einer würde hinunterkommen.
    Auf Zehenspitzen lief ich durch den Keller nach links auf das kurze Treppenhaus zu, das in die Welt da draußen führte. Ich duckte mich und kroch hinauf, preßte mich in die schmale Lücke oben. Mein gekrümmter Rücken drückte genau gegen die Holztüren, meine Beine hatte ich unter mich gezogen. Weil der Strom im Haus abgestellt war, waren sie gezwungen, mich mit der Taschenlampe zu suchen, und vielleicht übersahen sie mich. Ich hoffte, daß ich schwierig zu erkennen war, so eingequetscht, wie ich hier lag, aber ich konnte nicht sicher sein. In der Zwischenzeit war das Einzige, was mich von der Freiheit trennte, diese schräge hölzerne Ausdehnung in meinem Rücken. Ich konnte den Geruch der feuchten Nachtluft durch die Risse wahrnehmen. Der süße Duft des Jasmin neben dem Haus vermischte sich unangenehm mit dem Geruch von Ruß und alter Farbe. Mein Herz hämmerte in meinem Brustkorb, und die Furcht schoß mit solcher Kraft durch meinen Körper, daß mir die Lungen schmerzten. Ich hielt die Taschenlampe wie einen Knüppel und beschränkte meine Atmung auf ein winziges Zischen.
    Dann wurde ich mir eines harten Knotens bewußt, der sich in meinen Oberschenkel bohrte. Autoschlüssel. Ich verlagerte mein Gewicht und streckte vorsichtig das rechte Bein aus, bestrebt, nicht einmal das Quietschen eines Turnschuhs auf der sandigen Betontreppe zuzulassen. Ich plazierte die Taschenlampe sehr behutsam auf der Stufe unter mir und zog sehr langsam die Schlüssel heraus, indem ich den ganzen Bund umfaßt hielt, um zu verhindern, daß sie aneinanderstießen und klimperten. An meinem Schlüsselring war eine kleine Zierscheibe aus Metall von der Größe eines Fünfzig-Cent-Stückes ohne Rand angebracht. Von den Dingen, zu denen ich im Moment Zugang hatte, kam das einem Werkzeug am nächsten. Sehnsüchtig dachte ich an das Allzweckmesser, das Brecheisen und den Hammer, die zusammen mit den Gewichten in Plastik verpackt unten im Heizungskeller versteckt waren. Ich fuhr mit der linken Hand über das Holz direkt über meinem Kopf und fühlte nach dem Scharnier. Es war wie der Flügel eines Flugzeugs geformt, vielleicht sechs Inch lang und flach. Die Schrauben standen unregelmäßig hervor, einige waren vom Alter gelockert, andere fehlten.
    Ich versuchte, den Rand der Scheibe wie einen Schraubenzieher zu benutzen, aber die Schraubenköpfe waren überstrichen worden, und die Kerbe war nun zu flach, um eine Hebelanwendung möglich zu machen. Ich machte einen Buckel und drückte mich hoch. Ich fühlte ein kleines Nachgeben. Mit vor Erwartung zitternden Händen suchte ich die Schlüssel durch und nahm den VW-Schlüssel heraus, der länger als die anderen war. Ich steckte ihn zwischen das Scharnier und das Holz und wandte leichten Druck an. Das Scharnier gab ein wenig nach. Wenn ich ein bißchen Spiel in das Scharnier bringen könnte, ließ sich die Tür vielleicht aufbrechen und hochstoßen. Ich stemmte los, die Lippen

Weitere Kostenlose Bücher