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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Regentropfen waren auf das heiße Pflaster gespritzt. Ich hastete zu meinem Wagen, halb geduckt, als ob ich ein Naßwerden durch das Schrumpfen auf halbe Größe verhindern konnte. Ich dachte an Jacks Beschreibung der Frau, die sich Elaine Boldt genannt hatte. Er hatte den Schnappschuß von Elaine gesehen und geschworen, daß sie es nicht war. Soweit ich das beurteilen konnte, mußte es Pat Usher gewesen sein. Ich erinnerte mich an meine Begegnung mit ihr: ihre Haltung wachsamen Amüsements, die Fragen über Elaine, die sie beantwortet hatte, die Mischung aus Lügen und Wahrheiten, die sie erzählt hatte. War sie einfach in die Schuhe einer anderen geschlüpft? Sie hatte in Elaines Apartment gelebt, aber wie, wenn nicht durch Elaine, war sie an den Luchsmantel gekommen? Wenn sie diejenige war, die auf Elaines Kreditkarten Schulden machte, mußte sie sicher sein, daß Elaine sie nicht dabei erwischte. Es schien mir, als könnte sie das nur durchziehen, wenn sie wußte, daß Elaine tot war, ein Verdacht, den ich nun schon seit Tagen hegte. Es könnte auch eine andere Erklärung geben, nahm ich an, aber keine, bei der alles so genau zusammenpaßte.
    Inzwischen regnete es kräftig, und die Scheibenwischer meines Mietwagens schlugen, Metronomen gleich, hin und her. Sie erreichten kaum mehr, als die Windschutzscheibe mit einem dünnen Schmutzfilm zu verschmieren. Ich fand eine Telefonzelle und bestellte einen Anruf auf Kreditkarte zu Jonah ins Santa-Teresa-Polizeirevier. Die Verbindung war schlecht, und wir konnten uns durch die Störungen in der Leitung hindurch kaum verstehen, aber ich schaffte es, hinauszubrüllen, was ich brauchte. Ich fragte ihn, ob er die Anfrage, die ich zur Verkehrszulassungsbehörde in Tallahassee schicken wollte, weiterbefördern könnte. Ein Führerschein war die einzige Sache, für die Pat Usher hätte sorgen müssen, weil Elaine keinen hatte, aber es ist nicht schwer, einen zu fälschen. Sie mußte sich bloß mit Elaine Boldts Namen bewerben, die Prüfung bestehen und darauf warten, daß der Führerschein per Post zugeschickt wurde. In manchen Staaten kann man innerhalb von Minuten nach Bestehen der Prüfung mit dem Führerschein in der Hand die Verkehrszulassungsbehörde verlassen — zumindest bei einer Erneuerung. Ich war mir nicht sicher, wie die Prozedur in Florida lief. Jonah meinte, er werde ein Gespräch mit Tallahassee führen und mich dann zurückrufen. Da ich am nächsten Tag sowieso wieder in Santa Teresa sein wollte, sagte ich ihm, ich würde ihn anrufen, sobald ich angekommen sei.
    In der Zwischenzeit fuhr ich zur Wohnanlage zurück und führte ein kurzes Gespräch mit Roland Makowski, dem Hauswart, der bestätigte, was ich bereits von Julia wußte. Pat Usher war mit Sack und Pack abgereist, am selben Tag, an dem ich mit ihr gesprochen hatte. Pflichtbewußt hatte sie eine Nachsendeadresse hinterlassen — irgendein Motel in Strandnähe — , aber als Roland versucht hatte, sie dort zu erreichen, fand er heraus, daß es nicht existierte. Ich fragte ihn, was er von ihr gewollt habe. Er sagte, sie habe als Abschiedsgeste einen Haufen in den Swimmingpool gesetzt und dann mit Sprühfarbe ihren Namen auf den Beton gekleckst.
    »Sie hat was getan?« fragte ich.
    »Sie haben richtig gehört«, erwiderte er. »Sie hat einen Haufen von der Größe einer polnischen Wurst mitten in den Pool fallen lassen. Ich mußte das ganze Ding trockenlegen und desinfizieren lassen, und ich habe Leute hier, die immer noch nicht wieder reingehen wollen. Diese Frau ist wahnsinnig, und wissen Sie, was sie so geärgert hat? Ich habe ihr gesagt, sie könne ihre Handtücher nicht über das Balkongeländer hängen! Sie hätten ihre Reaktion sehen sollen. Sie geriet in eine solche Wut, daß ihre Augen in den Kopf zurückrollten und sie anfing zu keuchen. Sie hat mir verdammt Angst gemacht. Sie ist krank .«
    Ich blinzelte ihn an. »Sie keuchte?«
    »Sie hatte beinahe Schaum vor dem Mund.«
    Ich dachte an Tillies nächtlichen Besucher. »Ich glaube, wir sollten besser mal einen Blick auf Elaines Apartment werfen«, sagte ich tonlos.
    Im selben Moment, als wir die Tür geöffnet hatten, schlug uns der Gestank wie eine Mauer entgegen. Die Zerstörung war systematisch und total. Überall war verschmierter Kot, und Couch und Sessel waren in mörderischer Absicht aufgeschlitzt worden. Es war klar, daß sie sehr leise ans Werk gegangen war. Anders als in Tillies Apartment, waren keine Gläser zerbrochen und keine Möbel

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