Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
umgeworfen worden. Statt dessen hatte sie alle Lebensmittelkonserven geöffnet und ihren Inhalt auf den Teppich geschüttet. Sie hatte Kräcker und trockene Nudeln verteilt, Marmelade, Gewürze, Kaffee, Essig, Suppen, schimmelndes Obst, gemischt mit Ingredienzen ihres Darmtraktes. All das kranke Chaos hatte nun tagelang dagelegen, und die Hitze und Feuchtigkeit Floridas hatten die Schweinerei zu einer blubbernden Suppe aus Pilzen und Fäulnis gekocht. Die Packungen einstmals gefrorenen Fleisches, die sie aufgerissen und mitten reingeworfen hatte, waren mit einem zappelnden Eigenleben angefüllt, das ich gar nicht näher untersuchen wollte. Große Fliegen schwirrten feindselig herum, und ihre glänzenden, fluoreszierenden Köpfe wirkten wie Leuchtfeuer.
    Zuerst war Roland sprachlos, und als ich mich umdrehte, hatte er Tränen in den Augen. »Tja, das werden wir wohl niemals wieder sauber kriegen«, meinte er.
    »Machen Sie das nicht selbst«, sagte ich automatisch. »Engagieren Sie jemand anders. Vielleicht wird das Ihre Versicherung bezahlen. Inzwischen sollten Sie besser die Cops rufen.«
    Er nickte und schluckte hart, als er aus der Tür ging. Ich konnte das Apartment allein durchsuchen. Dabei mußte ich sehr vorsichtig damit sein, wo ich meine Füße hinsetzte. Ich machte mir eine kleine Gedankennotiz, Pat Usher niemals für irgend etwas zu tadeln. Was mich anging, so konnte sie ihre Handtücher aufhängen, wo es ihr beliebte.

21

    Mit den Cops im Nacken hatte ich nicht mehr viel. Zeit. Ich suchte mir einen Weg durch die Wohnung und öffnete mutig einige Schubladen. Aus Respekt vor verborgenen Fingerabdrücken hatte ich mir ein Taschentuch um die Fingerspitzen gewickelt. Nach einem oberflächlichen Durchgang hätte ich rein gar nichts gefunden, was mich nicht weiter überraschte. Sie hatte das Apartment ausgeräumt. Alle Schubladen und Schränke waren leer. Nicht einmal eine Tube Zahnpasta hatte sie dagelassen. Inzwischen konnte sie sonstwo sein, aber ich hatte das Gefühl, daß ich wußte, wo sie sich aufhielt. Vermutlich hatte sie die beiden letzten Flugtickets für einen Rückflug nach Santa Teresa benutzt.
    Ich schloß die Wohnung wieder ab und ging nach nebenan, um Julia zu erzählen, was los war. Es war halb drei nachmittags, und ich mußte den Vier-Uhr-Flug erwischen. Und das bei einer knappen Stunde Fahrt, um überhaupt zum Flughafen zu kommen. Wie durch ein Wunder war der Himmel wieder klar, die Luft roch feucht und süß, und die Gehwege dampften. Ich lud Elaines Koffer wieder in den Mietwagen und fuhr los, wobei ich Julia versprechen mußte, mich bei ihr zu melden, sobald ich etwas Neues erfahren hatte. Bald hatte ich diesen Fall geknackt. Das fühlte ich. Seit einer Woche saß ich nun dran, und ich hatte Pat Ushers Versteck ausgeräuchert. Ich war nicht sicher, was sie Elaine getan hatte oder warum, aber jetzt war sie auf der Flucht, und ich war nicht weit hinter ihr. Wir wandten uns geradewegs nach Santa Teresa zurück, wo die ganze Sache begonnen hatte.
    Als ich am Flughafen in Miami ankam, gab ich den Mietwagen ab, holte mir meine Platzreservierung am TWA-Schalter und ließ die vier Koffer nach Santa Teresa einchecken. Im Flugzeug angekommen, hatte ich noch sechs Minuten Zeit. Leichte Angst stieg in mir auf; die Art von Empfindung, die man hat, wenn man weiß, daß einem in einer Woche eine große Operation bevorsteht. Es gab keine direkte Gefahr, aber mein Hirn hörte nicht auf, mit bohrendem Grauen eine ungewisse Zukunft zu wälzen. PatUsher und ich befanden uns auf Kollisionskurs, und ich war nicht sicher, ob ich in der Lage sein würde, mit dem Zusammenstoß fertigzuwerden.

    Durch den Zeitunterschied von drei Stunden hatte ich das Gefühl, gut eine Stunde nach dem Start in Florida bereits wieder in Kalifornien zu landen. Mein Körper hatte Probleme, damit umzugehen. In L. A. mußte ich zwar eine Stunde auf den Kurzflug nach Santa Teresa warten, doch auch so war es erst sieben Uhr abends, als ich nach Hause kam, Elaines Koffer wie ein Packesel mit mir her schleppend. Es war immer noch hell draußen, aber ich war erschöpft. Ich hatte nicht zu Mittag gegessen, und alles, was ich im Flugzeug bekommen hatte, waren ein paar viereckige Dinger gewesen. Die Zellophanverpackung hätte ich vor Müdigkeit beinahe nicht mehr aufbekommen. Es war einer dieser Schlingerflüge gewesen, mit plötzlichen, unerklärlichen Höhenstürzen, die ein Schläfchen schwierig machten. Die meisten Leute waren besorgt

Weitere Kostenlose Bücher