Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
drehte den Kopf mit einem herzzerreißenden Schreien zu Mo-za. Sie beförderten sie in den Streifenwagen und nahmen ihre Füße hoch, um sie hinter den Vordersitzen zu verstauen. Irgendwie vermittelte Lila den Eindruck, als handle es sich hier um eine Gefangennahme der Gestapo, als werde sie von Nazis verschleppt, und man würde nie wieder von ihr hören. Kopfschüttelnd sammelte Officer Pettigrew ihre Sachen ein, die nun verstreut auf dem Weg lagen. Er packte ihre Taschen in den Kofferraum.
Der Mann von nebenan fühlte sich offenbar verpflichtet einzuschreiten, und ich sah ihn im Gespräch mit Pettigrew, während Gutierrez die Wache anrief und Lila um sich schlug und sich gegen den Maschendraht warf, der sie von Gutierrez auf dem Vordersitz trennte. Schließlich stieg Pettigrew auf der Fahrerseite in den Wagen, schlug die Tür zu und fuhr los.
Moza war leichenblaß und wandte sich mir mit einem verzweifelten Blick zu. »Das ist Ihr Werk! Warum in Gottes Namen haben Sie das getan? Die arme Frau.«
Ich erspähte Henry einen halben Block weiter. Selbst aus dieser Entfernung schien sein Gesicht ausdruckslos vor Ungläubigkeit und sein Körper angespannt. »Ich erklär’ Ihnen das später, Moza«, erwiderte ich und machte mich auf den Weg zu ihm.
25
Als ich an meiner Wohnung ankam, war Henry nirgends zu sehen, ich zog den Umschlag aus meinem Hosenbund und klopfte an seine Hintertür. Er öffnete. Ich hielt den Umschlag hoch, und er nahm ihn und sah sich den Inhalt an. Ein fragender Blick traf mich, aber ich erklärte nicht, wie ich daran gekommen war, und er fragte auch nicht.
»Danke.«
»Wir reden später«, versprach ich, und er schloß die Tür wieder. Vorher hatte ich allerdings noch einen Blick auf seinen Küchentisch erhascht. Er hatte den Zuckerkanister und einen neuen blau-weißen Mehlsack herausgeholt, um sich der Tätigkeit zuzuwenden, die er am besten beherrschte, während er seinen Schmerz zu verarbeiten versuchte. Er tat mir schrecklich leid, doch das mußte ich ihn mit sich selbst ausmachen lassen. O Gott, es war alles so unangenehm. Doch ich mußte zurück an die Arbeit.
Ich betrat mein Appartement und holte ein Telefonbuch hervor, in dem ich Kelly Borden suchte. Wenn Bobby im alten Landkrankenhaus nach der Waffe suchte, wollte ich es ebenfalls versuchen. Vielleicht konnte Kelly mir sagen, wo ich am besten anfing. Er stand nicht im Telefonbuch. Dann versuchte ich die Nummer der früheren medizinischen Einrichtung herauszufinden, doch sie war nicht aufgelistet. Die Dame von der Auskunft stellte sich begriffsstutzig und gab vor, keine Ahnung zu haben, wovon ich überhaupt sprach. Wenn er die Schicht von sieben bis drei Uhr gearbeitet habe, sei er ohnehin nicht mehr da. Mist. Ich suchte die Nummer des Santa-Teresa-Krankenhauses heraus, rief an und verlangte Dr. Fraker. Seine Sekretärin, Marcy, sagte, er sei »gerade nicht an seinem Schreibtisch« (gemeint war: auf der Toilette), werde aber gleich wieder zurück sein. Ich erzählte ihr, daß ich mit Kelly Borden sprechen müsse und bat sie um seine Adresse und Telefonnummer.
»Oje, ich weiß nicht«, zögerte sie. »Dr. Fraker hätte wahrscheinlich nichts dagegen, daß ich sie Ihnen gebe, aber es ist mir eigentlich nicht gestattet, es ohne seine Erlaubnis zu tun.«
»Okay, ich habe sowieso noch einige Erledigungen zu machen, also komme ich einfach vorbei. In zehn Minuten bin ich da«, schlug ich vor. »Passen Sie nur auf, daß er nicht nach Hause geht, bevor ich komme.«
Ich fuhr zum St. Terry hinüber. Die Parkplatzsuche stellte sich als kleines Kunststück heraus. Schließlich mußte ich meinen Wagen drei Blocks entfernt abstellen, was mir aber ganz recht war, weil ich noch an einem Drugstore vorbei wollte. Ich ging durch den Hintereingang hinein und folgte verschiedenfarbigen Linien auf dem Boden, als sei ich auf dem Wege nach Oz. Endlich kam ich zu den Aufzügen und nahm einen hinunter in den Keller. Als ich schließlich in der Pathologie ankam, war Dr. Fraker schon wieder weg, doch Marcy hatte ihm mein Kommen angekündigt, und er hatte sie angewiesen, mich gewissermaßen wie ein Postpaket nachzusenden. Ich folgte ihr durch das Laboratorium und traf ihn dann, ganz in grüner OP-Kleidung. Er stand an einer Nirostaspüle mit einem Ausguß, einem Müllschlucker und Waagschalen. Offenbar war er gerade dabei, irgendeine Prozedur zu beginnen, und es tat mir leid, daß ich ihn unterbrechen mußte.
»Ich wollte Sie wirklich nicht stören«,
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