Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
Ränder um ihre gefaltete Kleidung herum, schloß den Koffer und ließ die Schlösser zuschnappen.
»Warten Sie, ich nehm das schon«, kam ich ihr zuvor. Ich zog den Koffer vom Bett und nahm auch den anderen hoch. Schwer beladen ging ich in den Flur. Dort stand Moza und wrang in ihrer Furcht ein imaginäres Geschirrtuch aus.
»Ich kann einen davon nehmen«, bot sie sich an.
»Es geht schon.«
Ich ging Richtung Tür, mit Moza und Lila im Gefolge. Ich hoffte inständig, die Cops würden jetzt kommen. Lila und Moza sagten einander nur ein paar Abschiedssprüche, wobei Lila die ganze Zeit über heuchelte. Sie war dabei, abzuhauen. Sie würde verschwinden. Sie hatte nicht die Absicht, zurückzukommen.
Als wir am Eingang angekommen waren, ging Moza voraus, um mir die Tür aufzuhalten. Ein schwarzweißer Streifenwagen war gerade vorgefahren. Ich fürchtete, daß Lila sich, wenn sie die Polizei zu früh erspähte, durch den Hinterausgang aus dem Staub machen könnte.
»Haben Sie eigentlich die Schuhe, die unter dem Bett standen?« fragte ich über die Schulter hinweg. Ich blieb im Eingang stehen, um ihr die Sicht zu versperren.
»Ich weiß nicht. Ich habe mich gerade noch umgesehen und nichts mehr bemerkt.«
»Dann haben Sie sie wahrscheinlich«, meinte ich.
»Nein, nein. Ich sehe lieber noch einmal nach.« Sie lief zum Schlafzimmer, während ich die beiden Koffer auf der Veranda abstellte.
Inzwischen starrte Moza verwirrt zur Straße. Zwei uniformierte Polizisten kamen den Weg herauf, ein Mann und eine Frau, beide ohne Kopfbedeckung und in kurzärmeligen Hemden. In Santa Teresa gab es Bestrebungen, der Polizei das autoritäre Image zu nehmen, doch diese beiden schafften es trotzdem, bedrohlich zu erscheinen. Moza dachte wahrscheinlich, sie habe irgendwelche Gesetze verletzt — zu langes Gras, zu lautes Fernsehen.
Ich ließ sie da stehen, damit sie einen kleinen Plausch mit den Polizisten halten konnte, während ich Lila entgegenging, damit sie nicht doch noch die Cops sah und durch den Hinterausgang zu entwischen versuchte. »Lila, Ihr Taxi ist da«, rief ich.
»Ach, dem Himmel sei Dank«, seufzte sie, als sie durch das Wohnzimmer kam. »Unter dem Bett habe ich nichts mehr gefunden, aber ich hatte mein Ticket auf der Kommode liegenlassen. Gut, daß ich noch einmal zurückgegangen bin.«
Als sie sich der Eingangstür näherte, schlüpfte ich hinter sie. Sie blickte auf und sah die Polizisten.
Der Mann hieß seinem Namensschild zufolge G. Pettigrew. Er war schwarz, vielleicht Mitte Dreißig und hatte starke Arme und einen gewaltigen Brustkorb. Seine Kollegin, Mrs. Gutierrez, wirkte fast genauso kräftig wie er.
Pettigrews Blick konzentrierte sich auf Lila. »Sind Sie Lila Sams?«
»Ja.« In diese eine Silbe legte sie ihre ganze Verwirrung, wobei sie ihn erstaunt ansah. Ihr Körper schien sich zu verändern, so daß sie jetzt älter und gedrungener wirkte.
»Würden Sie bitte auf die Veranda treten?«
»Natürlich, aber ich weiß nicht, was das alles soll.« Lila machte eine Bewegung zu ihrer Tasche hin, doch Gutierrez schnitt ihr den Weg ab und durchsuchte den Tascheninhalt schnell nach Waffen.
Pettigrew sagte Lila, sie sei verhaftet, und belehrte sie über ihre Rechte, die er von einer Karte ablas. Ich war sicher, daß er dies alles schon hundertmal getan hatte und die Hilfe nicht wirklich benötigte, er aber trotzdem ablas, damit es später keine weiteren Fragen gab.
»Würden Sie sich bitte mit dem Gesicht zur Wand drehen?«
Lila tat, was man ihr sagte, und Gutierrez tastete sie ab und legte ihr dann Handschellen an. Lila begann erbärmlich zu jammern. »Aber was hab ich denn getan? Ich habe doch nichts getan. Dies ist ein schrecklicher Irrtum.« Ihre Verzweiflung schien Moza in Bewegung zu setzen.
»Was geschieht hier eigentlich, Officer?« fragte sie. »Diese Frau ist meine Untermieterin. Sie hat nichts Unrechtes getan.«
»Ma’am, wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie bitte zur Seite gingen. Mrs. Sams ist berechtigt, sich mit einem Anwalt in Verbindung zu setzen, wenn wir in der Stadt angekommen sind.« Pettigrew faßte Lilas Ellbogen, doch sie zog ihn weg. Ihre Stimme stieg auf eine schrille Höhe an.
»Hilfe! O nein! Lassen Sie mich los! Hilfe!«
Die beiden Polizisten nahmen sie in die Mitte und schafften sie in geschäftsmäßigem Schritt die Terrasse hinunter. Lilas Kreischen brachte langsam neugierige Nachbarn vor die Häuser. Schlaff und schwer hing sie zwischen den Polizisten und
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