Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
zum Flughafen zu bringen. Ich hatte noch mal angerufen, aber wahrscheinlich konnte die Zentrale Sie nicht mehr rechtzeitig aufhalten. Tut mir leid.«
Er warf mir einen furchterregenden Blick zu, stieß einen gereizten Seufzer aus und machte eine große Schau daraus, die Adresse aus seinem Buch zu streichen. Genervt hämmerte er den Gang rein und fuhr mit einem Kopfschütteln davon. Eine wirklich bühnenreife Vorstellung.
Ich ging quer durch Mozas Vorgarten und nahm die Treppe zur Veranda zwei Stufen auf einmal. Moza hielt die Tür auf und sah ängstlich dem abfahrenden Taxi nach. »Was haben Sie ihm gesagt? Das war Lilas Taxi. Sie muß zum Flughafen.«
»Wirklich? Er meinte, er sei an der falschen Adresse. Er suchte nach Zollinger, eine Straße weiter, glaube ich.«
»Vielleicht versuche ich es besser mit einem anderen Taxiunternehmen. Sie hat schon vor einer halben Stunde ein Taxi bestellt. Sie wird noch ihr Flugzeug verpassen.«
»Vielleicht kann ich ihr behilflich sein«, schlug ich vor. »Ist sie da drin?«
»Sie werden uns doch jetzt nicht noch in Schwierigkeiten bringen, Kinsey? Ich will das nicht.«
»Ich mache keine Schwierigkeiten«, beruhigte ich sie. Dann ging ich durchs Wohnzimmer in den Flur. Die Tür zu Lilas Zimmer stand offen.
Der Raum war aller persönlichen Habe beraubt. Eine der Schubladen, hinter denen sie die gefälschten Papiere versteckt hatte, stand mit leerer Rückseite auf der Kommode. Sie hatte das Klebeband zusammengerollt wie einen Klumpen Kaugummi. Ein Koffer stand fertig gepackt an der Tür, ein anderer lag auf dem Bett, halb voll. Daneben stand eine weiße Plastikhandtasche.
Lila stand mit dem Rücken zu mir und beugte sich vor, um einen Stapel zusammengefalteter Kleidung aus einer Schublade zu nehmen. Die Polyesterhose, die sie trug, schmeichelte nicht gerade ihrer Figur. Von hinten sah ihr Arsch aus wie zwei herabhängende Schaumgummischinken. Sie bemerkte mich erst, als sie sich umdrehte. »Oh! Sie haben mich aber erschreckt. Ich dachte, es sei Moza. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe gehört, daß Sie abreisen wollen. Ich dachte, vielleicht könnte ich Ihnen behilflich sein.«
Unsicherheit flackerte in ihren Augen. Ihre plötzliche Abreise war wahrscheinlich auf das Drängen ihrer Komplizen in Las Cruces zurückzuführen, die durch meinen Anruf am vorherigen Abend alarmiert worden waren. Wahrscheinlich vermutete sie, daß ich dort angerufen hatte, aber sie konnte nicht sicher sein. Was mich anging, so hoffte ich lediglich, sie so lange aufzuhalten, bis die Cops auftauchten. Ich hatte nicht die Absicht, eine Konfrontation herbeizuführen. So wie ich sie einschätzte, könnte sie einen kleinen zweischüssigen Derringer zücken oder mit irgendwelchen Karategriffen für alte Damen über mich herfallen, die mich sofort niederstreckten.
Sie sah auf die Uhr. Es war jetzt fast vier. Man brauchte zwanzig Minuten zum Flughafen, und sie mußte um halb fünf dasein, wenn sie nicht riskieren wollte, ihren Platz zu verlieren. Also blieben ihr noch zehn Minuten. »Oje. Ja, ich weiß nicht, warum mein Taxi nicht kommt. Ich könnte jemanden gebrauchen, der mich zum Flughafen bringt, wenn Sie das machen könnten«, bat sie.
»Kein Problem«, erwiderte ich. »Mein Wagen steht gleich am End« der Straße. Henry sagte, sie wollten ohnehin noch bei ihm reinschauen, um sich zu verabschieden.«
»Natürlich mache ich das, wenn ich noch Zeit habe. Er ist so ein Schatz.« Sie hatte den Stapel Kleidung eingepackt, und ich sah, wie sie sich im Zimmer umschaute, ob sie nichts vergessen hatte.
»Haben Sie noch irgend etwas im Badezimmer liegen? Shampoo? Handwäsche?«
»Oh, ich glaube ja. Ich bin gleich zurück.« Sie ging an mir vorbei Richtung Badezimmer.
Ich wartete, bis sie um die Ecke gegangen war. Dann langte ich zum Bett hinüber und öffnete ihre Handtasche. Darin befand sich ein dicker brauner Umschlag, auf dem Henrys Name stand. Ich nahm das Gummiband ab und prüfte den Inhalt. Bargeld. Ich schloß die Tasche wieder und steckte den Umschlag hinten unter den Bund meiner Jeans. Ich dachte mir, daß Henry niemals mit Nachdruck seine Ansprüche geltend machen würde, und haßte die Vorstellung, daß seine Ersparnisse konfisziert und als Polizeieigentum deklariert werden könnten. Mußte er ja keinem erzählen, wenn er es zurück hatte. Ich zog gerade mein T-Shirt über die Ausbuchtung, als Lila zurückkam, Shampoo, Duschhaube und Handlotion schleppend. Sie packte das Zeug an die
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