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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Katalog von Hautabschürfungen, Kontusionen, Dünndarmavulsionen, Mesenterialzerreißungen und einer Vielzahl von Knochenbrüchen, durch den Ricks Übergang in die ewigen Jagdgründe glaubhaft attestiert wurde.
    Ich zog meine Schreibmaschine hervor und eröffnete eine Akte zu Bobby Callahan. Es beruhigte und tröstete mich, all die verwirrenden Fakten in einen knappen Bericht über die feststehenden Ereignisse zu übersetzen. Ich heftete seinen Scheck ein, notierte die Nummer der Quittung und fügte eine Kopie des Vertrages, den er unterzeichnet hatte, hinzu. Dann tippte ich die Namen und Adressen von Rick Bergens Eltern und Bobbys Exfreundin sowie eine Liste derer, die am Abend zuvor bei Glen Callahan gewesen waren. Ich spekulierte nicht. Ich formulierte nicht. Ich tippte einfach alles nieder, lochte das obere Ende des Blattes und klemmte es dann in einen Hefter, den ich in meinen Aktenschrank stellte.
    Fertig geworden, sah ich auf meine Uhr. Zehn Uhr zwanzig. Bobbys Krankengymnastikplan sah ein tägliches Pensum vor, während meiner auf Montag, Mittwoch und Freitag verteilt war. Möglicherweise war er noch in der Halle. Ich verschloß das Büro und ging über die Hintertreppe zu dem Platz, auf dem ich meinen Wagen immer abstelle. Ich fuhr zum Santa Teresa Fitness Center, tankte auf dem Weg und erwischte Bobby, als er gerade aus dem Gebäude kam. Seine Haare waren noch feucht vom Duschen, und seine Haut verbreitete den Geruch von Coast-Seife. Trotz der Gesichtslähmung, dem verkrüppelten linken Arm und dem Hinken schien etwas von dem ursprünglichen Bobby Callahan durch, der jung und kräftig war und die blonde Schönheit eines kalifornischen Surfers besaß. Ich hatte ihn auf den Fotos derart verletzt gesehen, daß er im Vergleich dazu jetzt wunderbar gesund erschien, sogar mit den Narben, die immer noch in sein Gesicht geätzt waren wie von einem Amateur ausgeführte Tätowierungen. Als er mich sah, lächelte er schief und tupfte sich automatisch das Kinn ab. »Ich habe nicht erwartet, dich heute hier zu treffen«, meinte er.
    »Wie war das Training?«
    Er neigte sich von einer Seite zur anderen, um anzudeuten »so lala«. Ich hakte mich bei ihm unter.
    »Ich habe eine Bitte, aber du mußt nicht darauf eingehen«, sagte ich.
    »Was für eine?«
    Ich zögerte einen Moment. »Ich möchte, daß du mit mir zum Paß hochfährst und mir zeigst, wo dein Wagen abging.«
    Das Lächeln verschwand. Er sah von mir weg, setzte sich wieder in Bewegung und ging in seiner federnden Gangart zu seinem Wagen. »In Ordnung, aber zuerst will ich bei Kitty vorbei und mit ihr reden.«
    »Darf sie Besuch haben?«
    »Ich komm schon rein, wenn ich lange genug rede«, erwiderte er. »Die Leute verhandeln nicht gern mit Krüppeln, so daß ich normalerweise alles bekomme, was ich haben will.«
    »Bist du verdorben!« neckte ich ihn.
    »Nutze jeden Vorteil, den du haben kannst«, gab er verlegen zurück.
    »Willst du fahren?«
    Er schüttelte den Kopf. »Laß uns meinen Wagen bei uns am Haus abstellen und mit deinem fahren.«

    Ich hielt auf dem Besucherparkplatz am St. Terry und wartete im Auto, während er zu Kitty hineinging. Ich konnte mir vorstellen, daß sie wieder auf den Beinen war, immer noch stinksauer, und dem Stationspersonal die Hölle heiß machte. Damit wollte ich nicht unbedingt etwas zu tun haben. Ich hatte die Hoffnung, in ein paar Tagen mit ihr sprechen zu können, im Moment zog ich es vor, ihr Zeit zu geben, sich zu beruhigen. Ich stellte das Autoradio ein und klopfte im Takt der Musik aufs Lenkrad. Zwei Krankenschwestern gingen über den Parkplatz. Sie trugen weiße Uniformen, weiße Schuhe und Hosen und ein dunkelblaues Cape, das aussah, als sei es aus dem Ersten Weltkrieg übriggeblieben. Zur verabredeten Zeit kam Bobby aus dem Gebäude heraus und humpelte mit gedankenverlorener Miene über den Parkplatz. Dann stieg er in den Wagen. Ich stellte das Radio ab, ließ den Motor an und fuhr rückwärts aus der Parkbox.
    »Alles klar?«
    »Ja, sicher.«
    Er schwieg, während ich die Stadt durchquerte und links in die Nebenstraße einbog, die hinter Santa Teresa am Fuße der Gebirgsausläufer entlangführt. Der Himmel war von einem seichten Blau und wolkenlos. Er sah aus wie mit der Rolle aufgetragene Mattlackfarbe. Es war heiß, und die braunen, verdorrten Berge lagen dort ausgebreitet wie ein Stapel Anmachholz. Die hohen Gräser am Straßenrand waren zu einem blassen Goldton verblichen, und von Zeit zu Zeit erspähte ich auf

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