Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
hinaufkletterte. Derek steckte sich eine Zigarette an, ohne sie anzusehen. Die Geste hatte etwas Komisches, als ob man ihm die Zigarette nicht vorwerfen könne, solange er sie selbst ignorierte. Wahrscheinlich war er einer von den Menschen, die beim Fernsehen essen und sich ihren Scotch immer wieder auffüllen, damit es so aussieht, als tränken sie nur einen.
»Wie ging es Kitty, als Sie sie gesehen haben? Sie haben gar nichts erzählt.«
»Sie war... wissen Sie, sie war außer sich, schätze ich, sich im Krankenhaus wiederzufinden, aber ich habe ihr gesagt... ich sagte: >Sieh doch, Kind. Du sollst einfach nur wieder in Form kommen.<« Derek war in seine Elternrolle geschlüpft, doch schien sie ihm ebenfalls nicht zu behagen. Ich konnte mir gut vorstellen, wie erfolgreich er bei dem Mädchen gewesen sein mußte.
»Glen schien nicht sehr verständnisvoll«, meinte ich.
»Nein, ist sie wohl nicht. Ich kann ihr deshalb keinen Vorwurf machen. Aber andererseits hatte Kitty es sehr schwer, und ich glaube, Glen kann nicht verstehen, wie sehr so etwas ein Kind wie sie mitnehmen kann. Bobby hatte jeden Vorteil, den man für Geld kaufen kann. Warum hätte er scheitern sollen? Ich sage Ihnen, was mich ärgert. Ich meine, alles, was Bobby macht, wird entschuldigt. Alles, was Kitty macht, ist ein Jahrhundertverbrechen. Bobby hat Mist gebaut. Machen Sie sich nichts vor. Aber wenn er Scheiße macht, findet Glen immer eine Möglichkeit, sein Verhalten zu erklären. Verstehen Sie, wie ich das meine?«
Ich zuckte neutral die Achseln. »Ich weiß nicht, was er getan hat.«
Die Drinks kamen, und Derek nahm einen Schluck von seinem, als sei es sein Beruf, Martinis zu probieren. Er nickte weise und stellte das Glas behutsam in die Mitte seines Cocktaildeckchens. Mit dem Fingerknöchel betupfte er seine Mundwinkel. Seine Bewegungen wurden langsam schwankender, und seine Augen begannen in den Höhlen zu schwimmen wie Murmeln im Öl. Kitty war offenbar auf genau die gleiche Art und Weise besoffen geworden, bloß mit Downers anstelle von Gin.
Der Barkeeper nahm ein paar Flaschen Bier aus dem Kühlschrank und ging zur anderen Seite der Theke, um einen Kunden zu bedienen.
Derek senkte seine Stimme. »Das ist jetzt ganz im Vertrauen«, meinte er. »Aber der Junge ist zweimal wegen Trunkenheit am Steuer vorgeladen worden, und vor über einem Jahr hat er ein kleines Mädchen geschwängert. Glen möchte das als Jugendsünden behandelt sehen — Jungs sind nun mal Jungs und diesen ganzen Quatsch — , aber wehe, Kitty schlägt einmal über die Stränge, dann ist sofort die Hölle los.«
Langsam wurde mir klar, warum Bobby meinte, ihre Ehe würde nicht mehr lange dauern. Hier wurde mit harten Bandagen gekämpft, Elternteil gegen Elternteil im Halbfinale. Derek versuchte sich mit einem Lächeln, das charmant wirken sollte, um auf neutralen Boden zurückzugelangen.
»Und wo fangen Sie bei einem solchen Fall an?« fragte er.
»Ich weiß es noch nicht. Normalerweise schnüffle ich herum, untersuche die Hintergründe, finde einen Faden und sehe nach, wo er hinführt.« Ich sah ihn an und beobachtete sein verständiges Nicken, als hätte ich tatsächlich etwas Bedeutendes gesagt.
»Nun, ich wünsche Ihnen Glück. Bobby ist ein guter Junge, aber da ist einiges im Gange. Hinter dem Kind steckt mehr, als man denkt«, sagte er mit einem wissenden Ausdruck. Er sprach nicht undeutlich, aber die Konsonanten wurden weicher. Das gewinnende Lächeln flackerte wieder auf, zusammen mit seiner heimlichen Botschaft. Sein ganzes Verhalten signalisierte, daß er eine Menge sagen könnte, ihn die Diskretion jedoch zurückhielt. Ich nahm ihn nicht ernst. Er versuchte sich da an einer List, ohne sich bewußt zu sein, wie durchsichtig er war. Ich nahm einen Schluck Wein und überlegte, ob es von ihm noch etwas zu erfahren geben könnte.
Derek schaute auf seine Uhr. »Ich fahre lieber heim. Die Suppe auslöffeln.« Er kippte den Rest seines Martinis runter und kletterte vorsichtig von seinem Barhocker. Dann zog er seine Brieftasche heraus und ging einige Lagen Geldscheine durch, bis er einen Fünfer und einen Zehner gefunden hatte, die er auf die Theke legte.
»Wird Glen sauer sein?«
Er lächelte in sich hinein, als wäge er verschiedene Antworten ab. »Glen ist zur Zeit ständig sauer. Es war die Hölle von einem Geburtstag, das kann ich Ihnen sagen.«
»Vielleicht wird das nächste Jahr besser. Vielen Dank für die Drinks.«
»Ich danke Ihnen, daß Sie
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