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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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großen Steinen thronende Eidechsen, die grau und unbeweglich wie Zweige dalagen.
    Die Straße wand sich, und man sah zwei Spuren Asphaltdecke, die sich hin und her den Berg hochschlängelten. Zweimal schaltete ich runter, aber mein kleiner VW beschwerte sich immer noch über die Steigung.
    »Ich glaube, mich an etwas erinnern zu können«, sagte Bobby nach einer Weile. »Aber ich kann es nicht genau festmachen. Deshalb mußte ich mit Kitty sprechen.«
    »Um was geht’s?«
    »Ich hatte ein Adreßbuch. Eines dieser kleinen ledergebundenen Dinger in der Größe einer Spielkarte. Billig. Rot. Ich habe es jemandem zur Aufbewahrung gegeben, und jetzt habe ich keine Ahnung mehr, wem.« Er hielt inne und schüttelte verwirrt den Kopf.
    »Und du weißt nicht mehr, warum das so wichtig war?«
    »Nein. Ich weiß, daß ich deswegen Angst hatte und dachte, ich sollte es besser nicht bei mir haben, weil es mir gefährlich werden konnte, also gab ich es weg. Damals — und daran erinnere ich mich genau — dachte ich, ich könnte es ja später zurückholen.« Er zuckte die Achseln und schnaubte verächtlich. »Soviel also dazu.«
    »War das vor oder nach dem Unfall?«
    »Weiß nicht. Ich erinnere mich bloß, es jemandem gegeben zu haben.«
    »War es denn für den, dem du es gegeben hast, nicht gefährlich?«
    »Ich glaube nicht. O Gott.« Er rutschte so weit im Sitz herunter, daß er seinen Kopf anlehnen konnte. Dann starrte er durch die Windschutzscheibe und folgte den Umrissen der grauen Berge zu seiner Linken, dort, wo der Paß den Gipfel durchtrennt. »Ich hasse dieses Gefühl. Ich hasse es, zu spüren, daß ich mal etwas gewußt habe und jetzt keinen Zugang mehr dazu habe. Es ist bloß ein Bild, mit dem ich nichts mehr verbinden kann. Es gibt keine Anhaltspunkte in meinem Gedächtnis, deshalb habe ich keine Möglichkeit, etwas zeitlich einzuordnen. Es ist wie mit lauter Puzzleteilen, von denen ein großer Haufen auf den Boden gefallen ist.«
    »Und wie sieht das aus, wenn du auf diese Art etwas vergißt? Gibt es eine Möglichkeit, die Information ins Gedächtnis zurückzurufen oder ist sie einfach weg?«
    »Oh, manchmal kommt sie wieder, aber gewöhnlich ist alles leer... wie bei einem Loch auf dem Grund einer Kiste. Alles, was früher drin war, ist im Laufe der Zeit verlorengegangen.«
    »Warum ist es dir denn ursprünglich wieder eingefallen?«
    »Ich weiß nicht. Ich sah eine Schreibtischschublade durch, und da kam mir der rote Ledernotizblock unter, der auch ein Teil dieses Sets war. Plötzlich hatte ich diesen Gedankenblitz.« Er schwieg. Ich sah zu ihm hinüber und bemerkte, wie angespannt er war. Er massierte seine kranke Hand und molk die Finger, als seien sie lange Gummizitzen.
    »Kitty wußte auch nichts darüber?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wie geht es ihr?«
    »Sie ist wieder fit. Ich glaube, Derek wird nachher bei ihr reinschauen...« Er hielt inne. Wir kamen zum Berggipfel, und ein Muskel neben seinem linken Auge begann zu zucken.
    »Wirst du das hier aushalten können?« fragte ich.
    Er starrte konzentriert auf den Straßenrand. »Ziemlich genau hier. Fahr langsamer und halt dann an, wenn du kannst.«
    Ich prüfte die Situation im Rückspiegel. Drei Wagen waren hinter mir, doch die Straße verengte sich jetzt von drei auf zwei Spuren. Ich fuhr vorsichtig rechts ran und fand einen Schotterstreifen, auf dem ich parken konnte. Die Brücke mit ihrer niedrigen, auf Betonpfeilern ruhenden Leitplanke lag ungefähr zehn Meter vor uns. Bobby saß da und starrte nach rechts hinaus. Dort, wo die Straße vom Gipfel hinabführte, eröffnete sich dem Auge das ganze Tal. Soweit man sehen konnte, gaben die Hügel den Blick frei auf eine lavendelfarbene Bergkette, die sich vor dem Himmelsrand erhob. Die Augusthitze schimmerte schweigend. Das Land schien riesig und ursprünglich. So mußte es schon vor Tausenden von Jahren ausgesehen haben. In der Ferne war die Landschaft mit immergrünen Eichen gesprenkelt, struppig und düster und bucklig wie ein Büffel. Es hatte seit Monaten nicht mehr geregnet, und die Sicht schien blaßweiß wie Kreide, die Farben ausgewaschen.
    Ein kurzes Stück vor uns fiel der Straßenrand in den tückischen Canyon ab, der Bobby vor neun Monaten beinahe den Tod gebracht hätte. Ein Stück des metallenen Geländers war ersetzt worden, aber zu Beginn der Brücke fehlte immer noch ein Betonpfeiler.
    »Der andere Wagen begann uns von hinten zu rammen, als wir gerade über den Bergkamm hinaus waren«,

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