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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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einen Gefallen tun. Ich habe herauszufinden versucht, was damals vor sich ging, und hatte bisher nicht viel Glück. Hat Rick Ihnen irgendeinen Hinweis gegeben, daß Bobby in Schwierigkeiten oder durcheinander war? Oder daß er selbst irgendein Problem gehabt hat?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ricks ganzes Leben war ein Problem für mich, aber das hatte nichts mit dem Unfall zu tun. Aber ich werde Reva fragen, vielleicht weiß sie etwas.«
    »Danke«, sagte ich. Ich schüttelte ihm die Hand und fischte dann eine Karte aus meiner Tasche, damit er wußte, wo er mich erreichen konnte.
    Er brachte mich zur Straße, und ich dankte ihm noch mal fürs Essen. Als ich in den Wagen stieg, schaute ich hoch. Reva stand auf der Veranda und starrte zu uns hinunter.
    Ich fuhr wieder in Richtung Stadt. Am Büro machte ich halt, um meinen Anrufbeantworter auf Nachrichten abzuhören (keine) und die Post durchzusehen, die nur aus Reklame bestand. Ich machte mir eine frische Kanne Kaffee und zog meine Reiseschreibmaschine hervor, um die Untersuchungsergebnisse bis zu diesem Punkt einzeln aufzulisten. Es war eine mühsame Arbeit, zumal absolut nichts dabei herauskam. Dennoch, Bobby hatte ein Recht darauf zu erfahren, wie ich meine Zeit verbrachte, und er hatte ein Recht daraufzu erfahren, wo das Geld blieb.
    Um drei Uhr verschloß ich das Büro und ging zu Fuß zur Stadtbücherei, die zwei Blocks geradeaus und zwei Blocks hoch lag. Ich ging zum Zeitschriftenleseraum hinunter und fragte nach den Zeitungen vom vergangenen September, die jetzt auf Mikrofilm gespeichert waren. Dann suchte ich mir eine Lesemaschine, setzte mich und fädelte die erste Spule ein. Die Schrift war weiß auf schwarz, so daß alle Fotografien wie Negative aussahen. Ich hatte keine Vorstellung davon, was ich entdecken könnte, also war ich gezwungen, jede Seite zu überfliegen. Aktuelle Ereignisse, Inlandsnachrichten, lokalpolitische Themen, Feuer, Verbrechen, Sturm, Geburten, Todesfälle und Scheidungen irgendwelcher Leute. Ich las die Spalte »Verloren und Gefunden« und die Klatsch-, Gesellschafts- und Sportseiten. Der Mechanismus zum Weiterdrehen des Films war irgendwie nicht in Ordnung, so daß die jeweiligen Abschnitte mit leicht verzerrter Scharfeinstellung auf den zweiundzwanzig mal dreißig Zentimeter großen Bildschirm sprangen und eine Art Seekrankheit hervorriefen. Um mich herum schmökerten Leute in Zeitschriften oder saßen in niedrigen Stühlen und lasen Zeitungen, die auf hölzernen Ständern angebracht waren. Die einzigen Geräusche in dem Raum waren das Summen des Apparates, den ich benutzte, ein gelegentliches Husten und das Rascheln der Zeitungen.
    Ich schaffte es, die Zeitungen der ersten sechs Tage jenes Septembers durchzusehen, bevor mich die Entschlossenheit verließ. Ich würde das Ganze in kleinen Dosen erledigen müssen. Mein Hals war steif, und mein Kopf begann zu schmerzen. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, daß es fast fünf Uhr war, und ich war zu Tode gelangweilt. Ich notierte mir das Datum der letzten Zeitung, die ich durchgesehen hatte, und floh dann in den Sonnenschein des späten Nachmittags. Ich ging zu meinem Bürogebäude zurück und holte den Wagen vom Parkplatz, ohne hinaufzugehen.
    Auf dem Nachhauseweg hielt ich am Supermarkt, um bei einer schnellen Runde mit dem Einkaufswagen Milch, Brot und Toilettenpapier zu kaufen. Im Hintergrund wurde soviel lyrische Musik gespielt, daß ich mir vorkam wie die Heldin in einer romantischen Komödie. Nachdem ich gefunden hatte, was ich brauchte, stellte ich mich in die Expreßreihe für zwölf Teile oder weniger. Mit mir standen fünf Leute an, und alle zählten verstohlen den Inhalt der anderen Wagen. Der Mann vor mir hatte einen zu kleinen Kopf für seine Gesichtsgröße und wirkte wie ein zu schwach aufgeblasener Ballon. Er hatte ein kleines Mädchen bei sich, das vielleicht vier Jahre alt war und ein nagelneues Kleid trug, das etliche Nummern zu groß war. Irgend etwas daran schrie »arm«, aber ich weiß nicht warum. Es gab ihr das Aussehen eines Zwerges; die Taille hing auf ihren Hüften, der Saum um ihre Fußgelenke. Sie hielt die Hand des Mannes in vollkommenem Vertrauen und zeigte mir ein schüchternes Lächeln, das so voller Stolz war, daß ich, ohne es zu wollen, zurücklächelte.
    Als ich nach Hause kam, war ich müde, und mein linker Arm schmerzte. Es gibt Tage, an denen ich kaum an den Unfall denke, und Tage, an denen mich ein ständiger dumpfer Schmerz fertigmacht. Ich

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