Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
Halle gedrängt haben, aber das mußte wohl so sein. Es war Füllmasse, einfach etwas, um den schrecklichen Übergang von der Beerdigung zu dem knöchernen Schlaf, der anschließend folgen würde, zu glätten.
Ich erkannte die meisten der Leute, die bei Dereks Geburtstagstreffen am vergangenen Montagabend gewesen waren: Dr. Fraker und seine Frau Nola; Dr. Kleinert und eine ziemlich farblose Frau, die ich für Mrs. K. hielt; der andere Doktor, der dagewesen war, Metcalf, im Gespräch mit Marcy, die kurz mit Bobby in der Pathologischen Abteilung gearbeitet hatte. Ich schnappte mir ein Glas Wein und tastete mich langsam durch den Raum in Frakers Nähe. E,r und Kleinert hatten die Köpfe zusammengesteckt, und sie hielten inne, als ich mich zu ihnen gesellte.
»Hallo«, begrüßte ich sie und war plötzlich verlegen. Vielleicht war die Idee doch nicht so gut gewesen. Ich nahm einen Schluck Wein und bemerkte, wie die beiden Blicke tauschten. Ich nehme an, sie entschieden, daß ich in ihre Unterhaltung eingeweiht werden könne, weil Fraker den Gesprächsfaden wieder aufnahm.
»Jedenfalls kann ich die mikroskopische Untersuchung nicht vor Montag durchführen, aber grob betrachtet, scheint die unmittelbare Todesursache eine Aortenklappenruptur gewesen zu sein.«
»Durch den Aufprall auf das Lenkrad«, meinte Kleinert.
Fraker nickte und nahm einen Schluck Wein. Er fuhr mit der Erläuterung seiner Ergebnisse fort, fast, als würde er sie noch mal diktieren. »Sternum und mehrere Rippen waren gebrochen, und die aufsteigende Aorta war genau an der oberen Kante der Aortenklappe angerissen. Außerdem gab es einen linken Hämatothorax von achthundert Kubikzentimetern und eine schwere Hämorrhagie in die Aortenadventitia.«
Kleinerts Miene zeigte, daß er mitkam. In meinen Ohren klang das alles ekelhaft, und außerdem wußte ich nicht einmal, was es bedeutete.
»Wie steht es mit Blutalkohol?« fragte Kleinert.
Fraker zuckte die Achseln. »Der war negativ. Er war nicht betrunken. Wir werden die restlichen Ergebnisse erst heute nachmittag bekommen, aber ich glaube kaum, daß wir etwas finden. Natürlich könnte es noch eine Überraschung geben.«
»Nun, wenn Sie mit der CSF-Blockierung recht haben, war ein Anfall wahrscheinlich unvermeidlich. Bernie hatte ihn gemahnt, auf die Symptome zu achten«, fügte Kleinert hinzu. Sein Gesicht war lang und von einem Ausdruck permanenter Trauer geprägt. Wenn ich psychische Probleme hätte und einen Seelenklempner brauchte, würde es mir kaum helfen, Woche für Woche in ein solches Gesicht zu schauen. Ich bräuchte jemanden mit ein bißchen Schwung, Energie, jemanden mit ein bißchen Hoffnung.
»Bobby hatte einen Anfall?« fragte ich. Inzwischen war klar, daß sie die Autopsieergebnisse besprachen. Fraker mußte mitbekommen haben, daß ich keine Ahnung hatte, worüber sie tatsächlich redeten, denn er bot eine Übersetzung an.
»Wir glauben, daß sich bei Bobby Komplikationen aus der ursprünglichen Kopfverletzung ergeben haben könnten. Manchmal kommt es zu einer Blockierung im normalen Fluß der cerebrospinalen Flüssigkeit. Es entsteht ein intrakranieller Druck, und ein Teil des Gehirns beginnt zu atrophieren, was eine posttraumatische Epilepsie zur Folge hat.«
»Und deshalb ist er von der Straße abgekommen?«
»Meiner Ansicht nach ja«, bestätigte Fraker. »Ich kann das nicht kategorisch behaupten, aber wahrscheinlich fühlte er Kopfschmerzen, Angst, vielleicht eine Reizbarkeit.«
Kleinert mischte sich wieder ein. »Er war gegen sieben, Viertel nach sieben, so um die Zeit, bei mir. Er war schrecklich deprimiert.«
»Vielleicht hat er geahnt, was los war«, mutmaßte Fraker.
»Schade, daß er dann nicht darüber gesprochen hat, wenn das zutreffen sollte.«
Das Gemurmel zwischen ihnen hielt an, während ich die Folgerungen zu begreifen versuchte.
»Besteht die Möglichkeit, daß ein Anfall wie dieser von Drogen ausgelöst wird?« fragte ich.
»Sicher, das ist möglich. Die Toxikologieberichte sind nicht umfassend; die Ergebnisse der Analyse hängen davon ab, wonach gesucht wird. Es gibt einige hundert Drogen, die einen Menschen mit einer Prädisposition für Anfälle beeinflussen können. Realistisch betrachtet ist es nicht möglich, nach allen zu suchen«, führte Fraker aus.
Kleinert bewegte sich unruhig. »Eigentlich ist es, gemessen an dem, was er durchgemacht hat, ein Wunder, daß er überhaupt so lange überlebt hat. Wir haben versucht, Glen zu schonen, aber ich
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