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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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diese Zeit noch sein könnte«, erklärte sie. »Ich dachte, Lila käme zurück, weil sie etwas vergessen hat.«
    Gewöhnlich statte ich Moza keine Besuche ab, und es war klar, daß sie sich wunderte, was ich an ihrer Türschwelle suchte. Sie trat zurück und ließ mich schüchtern lächelnd ein. Im Fernsehen lief eine Wiederholung von »M.A.S.H.«; die Hubschrauber wirbelten gerade eine Staubwolke auf.
    »Ich dachte daran, mir Lila Sams mal etwas genauer anzusehen«, meinte ich, während im Fernsehen die Filmmusik »Suicide Is Painless« fröhlich lief.
    »Oh, aber sie ist gerade ausgegangen«, beeilte sich Moza zu sagen. Sie merkte bereits, daß ich nichts Gutes im Schilde führte, und dachte wahrscheinlich, sie könnte mich davon abhalten.
    »Ist das hier hinten ihr Zimmer?« fragte ich und ging in den Flur. Ich wußte, daß Mozas Schlafzimmer am Ende des Korridors auf der linken Seite lag. Demzufolge mußte Lilas Zimmer der früher »freie« Raum sein.
    Moza kam schwerfällig hinter mir her. Sie ist eine große Frau, die an einer Krankheit leidet, bei der die Füße anschwellen. Ihr Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Schmerz und Bestürzung.
    Ich versuchte es mit dem Türknopf. Lilas Tür war verschlossen.
    »Sie können da nicht reingehen.«
    »Nein?«
    Sie sah jetzt ängstlich aus und ließ sich auch nicht durch den Anblick des Generalschlüssels beruhigen, den ich jetzt in das Schlüsselloch führte. Hier handelte es sich um ein einfaches Hausschloß, das nur einen Nachschlüssel erforderte, von dem ich verschiedene Modelle an einem Ring dabeihatte.
    »Sie haben mich nicht verstanden«, wiederholte sie. »Das Zimmer ist abgeschlossen.«
    »Nein, ist es nicht. Sehen Sie?« Ich öffnete die Tür, und Moza legte sich eine Hand ans Herz.
    »Sie wird zurückkommen.« Ihre Stimme bebte.
    »Moza, ich werde nichts mitnehmen«, erklärte ich. »Ich werde mit großer Sorgfalt arbeiten, und sie wird nie merken, daß ich hier war. Warum setzen Sie sich nicht nach vorn ins Wohnzimmer und halten die Augen offen, vorsichtshalber? In Ordnung?«
    »Sie wird so wütend werden, wenn sie herausfindet, daß ich Sie hereingelassen habe«, flehte sie mich an. Ihre Augen waren jetzt so traurig wie die eines Bassethunds.
    »Aber sie wird es nicht herausfinden, also brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Übrigens, haben Sie herausbekommen, aus welcher kleinen Stadt in Idaho sie stammt?«
    »Dickey, hat sie mir gesagt.«
    »Oh, gut. Schönen Dank. Sie hat nie erwähnt, daß sie mal in New Mexico gewohnt hat, oder?«
    Moza schüttelte den Kopf und begann sich auf die Brust zu klopfen, wie man es bei einem Baby macht, das aufstoßen soll. »Bitte beeilen Sie sich«, beschwor sie mich. »Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn sie zurückkommt.«
    Da war ich mir selbst nicht sicher.
    Ich schlüpfte in das Zimmer, schloß die Tür und schaltete das Licht ein. Auf der anderen Seite der Tür hörte ich Moza murmelnd in den vorderen Teil des Hauses schlurfen.
    Der Raum war mit einer alten, mit Holzfurnier versehenen Schlafzimmergarnitur möbliert; ich bezweifelte, daß man sie »antik« nennen konnte. Die Teile sahen aus wie Möbel, die ich mal vor Billigläden im Zentrum von Los Angeles hatte stehen sehen: knarrend, unförmig und mit einem merkwürdigen Geruch nach feuchter Asche behaftet. Hier standen eine Kommode, passende Nachttische, ein Frisiertisch mit einem runden Spiegel zwischen Schubladenreihen. Das Bettgestell war aus schieferweiß gestrichenem Metall, und ein altrosafarbener Chenillestoff mit Fransen an den Seiten bildete die Tagesdecke. Die Tapete zeigte ein Wirrwarr aus malven- und blaßrosafarbenen Blumensträußen auf grauem Hintergrund. Es gab mehrere Sepiafotografien eines Mannes, den ich für Mr. Lowenstein hielt; auf jeden Fall war es jemand, dem es gefallen hatte, sich das Haar mit Wasser anzuklatschen und eine Brille mit runden Gläsern und Goldrand zu tragen. Er schien Mitte Zwanzig zu sein und wirkte mit einem ernsten Mund über leicht hervorstehenden Zähnen hübsch und elegant. Der Fotograf hatte seine Wangen in einem rosaroten Ton gefärbt, der nicht ganz zum Rest des Bildes paßte, aber einen hübschen Effekt hervorrief. Ich hatte gehört, daß Moza 1945 Witwe geworden war. Ich hätte liebend gern ein Foto von ihr aus jener Zeit gesehen. Beinahe widerstrebend kam ich auf meine eigentliche Aufgabe zurück.
    Es gab drei schmale Fenster mit heruntergelassenen Rollos, die von innen verschlossen waren. Ich

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