Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
für die roten Schuhe, die sie bei unserer ersten Begegnung getragen hatte. Der Kontrollabschnitt einer Kreditkarte lag auf der Quittung, und ich steckte beide zwecks späterer Inspektion in meine Tasche. Unter dem Bett lag nichts, und auch hinter der Kommode war nichts versteckt. Ich sah mich noch mal um, ob ich nichts ausgelassen hatte, als ich ein merkwürdiges Trillern aus dem Wohnzimmer hörte.
    »Kinsey, sie sind zurück«, winselte Moza. Ihre Stimme war heiser vor Furcht. Von der Straße her hörte ich den gedämpften Schlag einer zugeworfenen Wagentür.
    »Danke«, erwiderte ich. Adrenalin durchflutete meinen Körper wie Wasser eine Regenrinne, und ich hätte schwören können, daß mein Herz wie im Comic gegen mein T-Shirt klopfte. Hastig sah ich mich noch mal um. Es sah alles normal aus. Ich erreichte die Tür zum Flur, schlüpfte hinaus und zog sie hinter mir zu. Dabei griff ich nach dem Ring mit den Nachschlüsseln, den ich in der Jeanstasche hatte. Die Taschenlampe. Scheiße! Ich hatte sie auf dem Frisiertisch liegen lassen.
    Stimmen an der Eingangstür. Lila und Henry. Moza machte ihre Sache gut, fragte nach dem Abendessen. Heftig zog ich die Tür auf, rannte auf Zehenspitzen zum Frisiertisch, packte die Taschenlampe und lief, lautlos wie eine Gazelle, zur Tür zurück. Dort steckte ich mir die Lampe unter den Arm und betete, daß ich den passenden Schlüssel ins Schloß schob. Eine Drehung nach links, und ich hörte den Riegel in das Loch gleiten. Leise drehte ich den Schlüssel wieder zurück und zog ihn mit zitternden Händen heraus, wobei ich darauf achtete, daß die Schlüssel nicht aneinander klimperten. Über die Schulter hinweg sah ich mich nach hinten um und suchte gleichzeitig einen Fluchtweg.
    Der Flur erstreckte sich ungefähr einen Meter weit nach rechts, von wo aus der Bogengang zum Wohnzimmer abging. Auf der entgegengesetzten Seite des Korridors befand sich Mozas Schlafzimmer. Zu meiner Linken lag eine Nische für das Telefon, eine Kammer, das Bad und die Küche, hinter der ein weiterer Bogengang zum Eßzimmer sichtbar war. Das Eßzimmer führte seinerseits wieder in das Wohnzimmer. Wenn sie also nach hinten kamen, gingen sie vermutlich direkt durch den Bogengang zu meiner Rechten. Ich machte zwei Riesenschritte nach links und schlüpfte in das Badezimmer. Im selben Moment wußte ich, daß es ein Fehler gewesen war. Ich hätte es mit der Küche versuchen sollen, die einen Ausgang nach draußen hatte. Dies hier war eine Sackgasse.
    Zu meiner Linken befand sich eine einzelne Dusche mit einer undurchsichtigen Glastür, an die sich die Badewanne anschloß. Zu meiner Rechten war ein Waschbecken und daneben die Toilette. Das einzige Fenster im Raum war klein und wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr geöffnet worden. Inzwischen hörte ich die Stimmen lauter werden, als Lila in den Flur trat. Also tat ich einen Schritt in die abgeschlossene Dusche und zog die Tür zu. Ich traute mich nicht, sie einzuklinken, denn ich war sicher, daß dieses metallische Klicken sie auf meine Anwesenheit aufmerksam machen würde. Ich stellte die Taschenlampe hin, hielt von innen die Tür fest und klammerte meine Finger um die Kacheln. Dann kauerte ich mich nieder, in der Hoffnung, so weniger aufzufallen, falls jemand hereinkam. Die Stimmen im Flur näherten sich, und ich hörte, wie Lila ihre Schlafzimmertür aufschloß.
    Die Dusche war wohl kurz vorher noch benutzt worden, denn sie war feucht und roch nach Zest-Seife. Ein Waschlappen hing vom Kaltwasserhahn herab und ließ in regelmäßigen Abständen Wasser auf meine Schulter tropfen. Gespannt lauschte ich, konnte aber nicht viel hören. In Situationen wie dieser muß man das Zen des Versteckens beherrschen. Andernfalls schmerzen einem die Knie, man bekommt Krämpfe in den Beinmuskeln und verliert ziemlich bald jegliches Gefühl für Vorsicht, weil man nur noch schreiend aufspringen will, ungeachtet der möglichen Konsequenzen. Ich legte den Kopf auf meinen rechten Arm und konzentrierte mich auf mein Innenleben. Ich hatte immer noch den Zwiebelgeschmack von meinem Sandwich im Mund, und ich sehnte mich nach einem Räuspern. Außerdem mußte ich pinkeln. Hoffentlich würden sie mich nicht erwischen — ich käme mir so beschissen vor, wenn Lila oder Henry die Tür zur Dusche aufreißen und mich da hocken sehen würden. Ich machte mir nicht einmal die Mühe, mir eine Erklärung auszudenken. Es gab keine.
    Ich hob den Kopf. Stimmen im Flur. Lila war aus ihrem Zimmer

Weitere Kostenlose Bücher