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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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mir die Tür vor der Nase zuzuschlagen, was sie wahrscheinlich tut, wenn ich unangemeldet dort auftauche.«
    Sie dachte kurz darüber nach. »In Ordnung.«
    Sie stand auf, ging zum Telefon, das auf dem Nachttisch stand, und tippte Nolas Nummer auswendig ein. Nie hatte ich jemanden so geschickt ein Ersuchen Vorbringen sehen wie sie jetzt, und mir leuchtete ihr Talent für Spendensammlungen ein. Nola hätte nicht netter oder hilfsbereiter sein können, und fünfzehn Minuten später war ich auf dem Weg zurück nach Horton Ravine.
    Am Tage sah ich, daß das Haus der Frakers blaßgelb war und ein erdbebensicheres Dach hatte. Ich fuhr die Einfahrt hinauf auf eine kleine Parkfläche zur Linken des Hauses, auf der bereits ein dunkelbrauner BMW und ein silberner Mercedes parkten. Da ich keine selbstmörderischen Absichten hegte, lehnte ich mich erst einmal aus dem Fenster und sah mich nach dem Hund um. Rover oder Fido, wie er auch heißen mochte, entpuppte sich als eine große dänische Dogge mit gummiartigen, schwarz geränderten Lippen, einschließlich herabhängender Speichelfetzen. Aus dieser Entfernung hätte ich schwören können, daß das Halsband stachelgespickt war. Als Futternapf diente eine große Aluminiumschüssel mit Bißmalen am Rand.
    Vorsichtig stieg ich aus dem Wagen. Der Hund sprang am Zaun hoch und begann, mir seinen schlechten Atem entgegenzubellen. Er stand auf den Hinterbeinen, die Vorderpfoten über das Tor gelegt. Sein Glied sah aus wie ein Hot Dog in einem langen, pelzigen Brötchen, und er streckte es mir wedelnd entgegen, wie ein Typ, der gerade aus der Telefonzelle gekommen ist, um seinen Regenmantel zu öffnen.
    Ich war gerade kurz davor, ihn zu beleidigen, als ich merkte, daß Nola aus dem Haus gekommen war und auf der Terrasse hinter mir stand.
    »Beachten Sie ihn gar nicht«, meinte sie. Sie trug wieder einen Overall, diesmal in Schwarz, und Pfennigabsätze, die sie einen halben Kopf größer als mich machten.
    »Nettes Hündchen«, bemerkte ich. Die Leute mögen es immer sehr, wenn man sagt, ihr Hund sei nett. Beweist nur, wie weltfremd sie sind.
    »Danke. Kommen Sie herein. Ich habe erst noch etwas zu erledigen, aber Sie können im Studierzimmer warten.«

22

    Das Innere des Hauses war kühl und spärlich ausgestattet: schimmernde, dunkle Holzfußböden, nackte Fenster, frische Blumen. Die Sitzmöbel waren mit weißem Leinenstoff überzogen, und das Studierzimmer, in das mich Nola führte, war von Büchern gesäumt. Sie entschuldigte sich, und ich hörte, wie ihre hohen Absätze — klick, klack — den Flur hinab klapperten.
    Es ist nie eine gute Idee, mich allein in einem Raum zu lassen. Ich bin eine unheilbare Schnüfflerin, und ich fange automatisch an zu suchen. Da ich seit meinem fünften Lebensjahr von einer unverheirateten Tante großgezogen wurde, verbrachte ich als Kind viel Zeit bei ihren Freunden zu Hause, die zum größten Teil keine eigenen Kinder hatten. Mir wurde befohlen, ruhig zu sein und mich selbst zu beschäftigen, was ich in den ersten fünf Minuten mit Hilfe der jeweils neuen Ausgabe einer endlosen Serie von Malbüchern schaffte, die wir zu den Besuchen mitbrachten. Das Problem war, daß ich sehr schlecht im Einhalten der Ränder war und mir die Bilder immer blöd vorkamen — kleine Kinder, die mit Hunden herumtobten und Farmen besichtigten. Ich wollte keine Schweine oder Hühner ausmalen, also lernte ich das Durchsuchen. Auf diese Art entdeckte ich das versteckte Leben der Menschen, die Arzneien in den Medizinschränkchen, die Tuben mit Gel in den Nachttischschubladen, Bargeldreserven im hinteren Kleiderschrank, überraschende Sexanleitungen und Ehewerkzeuge zwischen Matratze und Sprungfedern. Natürlich konnte ich anschließend nie meine Tante nach diesen außergewöhnlich aussehenden Objekten befragen, die mir begegnet waren, da ich überhaupt nichts von ihnen wissen durfte. Fasziniert schlenderte ich dann in die Küche, wo sich die Erwachsenen zu jener Zeit zu versammeln schienen, um Highballs zu trinken und so schmerzhaft langweilige Dinge wie Politik und Sport zu diskutieren, und dann starrte ich Frauen namens Bernice und Mildred an, deren Ehemänner Stanley und Edgar hießen, und ich fragte mich, wer wohl was mit diesem langen Apparat mit der Batterie auf der einen Seite machte. Das war keine Taschenlampe. Soviel wußte ich. Frühzeitig erkannte ich den manchmal bemerkenswerten Unterschied zwischen dem öffentlichen Auftreten und den privaten Neigungen. Dies

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