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Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Titel: Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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dem Ziel und zwei weiteren Scheiben heraus.
    Ich war seit Monaten nicht mehr auf dem Übungsstand gewesen, und es war schön, ihn ganz für mich zu haben. Der Wind hatte zugenommen, Nebelfetzen wurden über die Betonbunker getrieben wie etwas aus einem Horrorfilm. Ich stellte die Zielscheibe in einer Entfernung von zwanzig Metern auf. Dann schob ich die weichen Plastikpfropfen in die Ohren und setzte darüber noch die schalldämpfenden Ohrenschützer auf. Alle Geräusche von außen wurden nun zu einem milden Summen gedämpft, mein eigener Atem war in meinem Kopf zu hören wie beim Tauchen. Ich lud meine .32er mit acht Patronen und fing an zu schießen. Jedesmal hörte es sich an, als würde ein Luftballon ganz in der Nähe platzen, gefolgt von dem charakteristischen Geruch des Schießpulvers, den ich so liebe.
    Ich ging zur Zielscheibe hinüber und überprüfte sie. Die Schüsse hatten zu weit oben und links gesessen. Ich umkringelte die ersten acht Löcher mit einem Marker und kehrte dann an meinen Platz zurück, lud die Waffe erneut. Auf einem Schild hinter mir konnte ich lesen: »Waffen, wie wir sie hier benutzen, sind eine Quelle des Vergnügens und der Unterhaltung, aber ein einziger Augenblick der Nachlässigkeit oder Dummheit kann dem allen ein Ende machen.« Amen, dachte ich.
    Der festgestampfte Boden vor mir war mit Patronenhülsen übersät wie ein Schlachtfeld. Ich sammelte meine nach jeder Serie ein und legte alle Hülsen säuberlich in eine Styroporschachtel, um Messing zu sparen.
    Um Viertel nach drei war mir kalt, und außerdem hatte ich den größten Teil meiner Munition verschossen. Ich kann nicht behaupten, daß meine kleine Halbautomatik auf zwanzig Meter sehr treffsicher ist, aber wenigstens hatte ich das Gefühl, nicht mehr ganz draußen zu sein.

8

    Um 15 Uhr 55 bog ich in die Auffahrt vor dem Familienheim der Woods ein, das sich auf einem Riesengrundstück auf den Hügeln oberhalb des Pazifiks befand. Seit ich sie das letzte Mal besucht hatte, waren sie umgezogen, hatten ihr Vermögen vermehrt. Dieses Haus war riesig, im französischen Barockstil erbaut — ein zweistöckiges Hauptgebäude, flankiert von zwei auffallenden Turmflügeln. Das Äußere aus Stuck war weiß und glatt wie die Verzierung auf einem Hochzeitskuchen, Dach und Fenster umrahmt von Gipsgirlanden, Rosetten und Muschelmotiven. Ein Ziegelweg führte von der Auffahrt um das Haus herum zur Vorderseite mit Blick aufs Meer, dann zwei Stufen hinauf zu einer breiten Terrasse. Eine Reihe französischer Torbögen erstreckte sich über die Fassade, wand sich am einen Ende um einen Wintergarten, am anderen um einen kleinen Pavillon herum. Eine kräftige, schwarze Frau in weißer Uniform ließ mich ein. Ich folgte ihr wie ein Straßenköter durch eine Eingangshalle, die mit weißen und schwarzen Marmorquadraten gefliest war.
    »Mrs. Wood bittet Sie, im Morgenzimmer zu warten«, sagte die Frau, ohne sich Zeit zu nehmen, meine Antwort abzuwarten. Sie verschwand auf dicken Kreppsohlen, die auf dem polierten Parkettboden keinen Laut von sich gaben.
    Aber ja doch, sicher, dachte ich, da hänge ich in meiner Wohnung auch immer rum... im Morgenzimmer, wo denn sonst?
    Die Wände waren aprikosenfarben, die Decke ein hohes, weißes Gewölbe. Große Farne standen auf Blumensäulen zwischen hohen Fenstern, durch die das Licht einfiel. Die Möbel waren französisch; runder Tisch, sechs Stühle mit hoher Lehne. In dem runden Perserteppich mischten sich Pfirsich- und Grüntöne. Ich stand an einem der Fenster, schaute auf die sanft abfallenden Rasenflächen hinaus, die sich weit erstreckten. Der C-förmige Raum bot an der unteren Krümmung eine Ansicht des Ozeans, während in der oberen die Berge eingefangen waren. So kam es, daß Himmel und Meer, Pinien, ein kleines Stück der Stadt, Wolken über den Berggipfeln, all das perfekt gerahmt war, während sich Möwen weiß von den dunklen Hügeln im Norden abhoben.
    Was ich an den Reichen liebe, ist die Stille, in der sie leben — die schiere Unendlichkeit des Raumes. Mit Geld kann man Licht und hohe Decken kaufen, sechs Fenster, wo eigentlich auch eines ausreichen würde. Es gab kein Stäubchen, keine Streifen auf der Scheibe, keine Dellen an den schlanken, geschwungenen Beinen der französischen Stühle. Ich hörte ein leises Geräusch, und dann kehrte die Schwarze mit einem rollenden Servierwagen zurück, der mit einem silbernen Teeservice, einer Platte gemischter Sandwiches und Keksen beladen war, die

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