Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke
Butter, aus dem Wasserkresse hervorlugte. Weizenbrot mit Curry-Huhn-Salat. Roggenbrot mit Kräutercremekäse. Den Einzelheiten war so viel Aufmerksamkeit geschenkt worden, daß ich begriff, daß es für keine der beiden wichtig war, ob mein gesellschaftlicher Status dem ihren entsprach oder nicht.
Ash warf mir ein kurzes Lächeln zu, als sie mir meine Tasse reichte. »Mutter und ich leben dafür«, erklärte sie, und ihre Grübchen wurden sichtbar.
»Allerdings«, stimmte Helen lächelnd zu. »Essen ist meine letzte große Sünde, und ich habe vor, unaufhörlich zu sündigen, solange mein Magen es aushält.«
Wir kauten und nippten an unserem Tee und lachten und sprachen von alten Zeiten. Helen erzählte mir, daß sowohl sie als auch Woody aus ganz gewöhnlichen Kreisen stammten. Sein Vater hatte jahrelang einen Eisenwarenladen in der Stadt gehabt. Ihr Vater war Steinmetz gewesen. Jeder von ihnen hatte eine bescheidene Summe geerbt, die sie zusammengeworfen hatten, um in den vierziger Jahren Wood/ Warren zu gründen. Das Geld, das sie ansammelten, bedeutete für sie nur Spiel und Spaß. Woody war es zwar todernst mit der Leitung der Gesellschaft, aber die Profite waren wie ein glücklicher Zufall erschienen. Helen sagte, er hätte für sich selbst eine Lebensversicherung in Höhe von fast zwei Millionen Dollar abgeschlossen. Er hielt das für einen tollen Witz, denn es war die einzige Geldanlage, die sich garantiert bezahlt machen würde.
Um fünf Uhr entschuldigte sich Ash und ließ uns zwei allein.
Helen wurde auf einmal lebhaft. »Jetzt erzähl mir von der Sache mit Lance.«
Ich brachte sie auf den neuesten Stand. Ash hatte ihr offensichtlich alles erzählt, aber Helen wollte es von mir noch einmal hören.
»Ich möchte, daß du für mich arbeitest«, erklärte sie prompt, als ich fertig war.
»Das kann ich nicht, Helen. Erstens einmal wünscht mein Anwalt nicht, daß ich auch nur in die Nähe von Lance komme, und zweitens kann ich auf keinen Fall für die Wood-Familie arbeiten. Es sieht ja jetzt schon so aus, als würde ich von ihr bezahlt.«
»Ich möchte aber wissen, wer dahintersteckt«, sagte sie.
»Ich auch. Aber nehmen wir einmal an, es wäre einer von euch. Ich will niemanden beleidigen, aber wir können das nicht ausschließen.«
»Dann müssen wir dem ein Ende machen. Ich mag keine Abmachungen unter der Hand, vor allem dann nicht, wenn Leute betroffen sind, die nicht zur Firma gehören. Hältst du mich auf dem laufenden?«
»Wenn es geht, natürlich. Ich bin bereit, alles zu teilen, was ich finde. Zum erstenmal muß ich nicht auf einen Klienten Rücksicht nehmen.«
»Sag mir, wie ich helfen kann.«
»Nennen Sie mir die Einzelheiten von Woodys Testament, wenn das nicht zu persönlich ist. Wie ist das Vermögen aufgeteilt worden? Wer leitet die Firma?«
Zorn überzog ihr Gesicht. »Das war der einzige Punkt, über den wir gestritten haben. Er war entschlossen, die Firma Lance zu hinterlassen. Im Prinzip hatte ich dagegen nichts einzuwenden. Von allen Kindern schien Lance am besten geeignet, das Unternehmen nach dem Tod seines Vaters weiterzuführen. Aber ich fand, er hätte ihm auch die Kontrolle übertragen müssen, und davon wollte Woody nichts wissen.«
»Was heißt das?«
»Er hätte ihm einundfünfzig Prozent der Aktien übertragen müssen. Das heißt es. Ich sagte: >Warum verschaffst du ihm diese Position, wenn du ihm nicht die Macht gibst, die dazu gehört? Laß den Jungen die Firma auf seine Art leiten, um Himmels willen, du alter sturer Bock!< Aber Woody wollte nichts davon hören. Wollte die Möglichkeit nicht einmal überdenken. Ich war wütend, aber der alte Narr wollte nicht nachgeben. Herrje, der konnte verrannt sein, wenn er mal ’nen Entschluß gefaßt hatte.«
»Wovor hatte er solche Angst gehabt?«
»Er fürchtete, Lance könnte das Unternehmen ruinieren. Lances Urteil ist nicht immer richtig. Ich bin die letzte, die das nicht zugeben würde. Er scheint nicht das Gespür für den Markt zu haben wie Woody. Er hat kein Verhältnis zu Händlern oder Kunden, ganz zu schweigen von den Angestellten. Lance ist ein Hitzkopf mit grandiosen Plänen, die sich niemals richtig verwirklichen lassen. Jetzt ist das schon besser, aber in den letzten paar Jahren vor Woodys Tod ging Lance schon mal durch, wenn er von einer Idee besessen war. Solange Woody lebte, konnte er ihn noch zügeln, aber er hatte große Angst, daß Lance verheerende Fehler machen würde.«
»Warum hat er ihm die
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