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Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Titel: Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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häßlichem Gesicht saß hier: hager und kinnlos, mit einem schielenden Auge. Sie trug eine Uniform der Heilsarmee, komplett mit Messingknöpfen und Epauletten. Ich wußte nicht recht, was das sollte. Vielleicht sollten verzweifelte Mütter von abhanden gekommenen Kleinkindern oder Ausländer, die kein Englisch sprachen, aber dringend Kaopectate benötigten, hier auch geistigen Trost und nicht nur praktische Hilfe finden. Sie schloß ihren Schalter gerade für die Nacht, und zuerst schien ihr meine Bitte um Hilfe gar nicht zu gefallen.
    »Hören Sie«, erklärte ich ihr, »ich bin gerade aus Kalifornien angekommen, um mit einer Frau zu sprechen, die den Flughafen in diesem Augenblick verläßt. Ich muß sie erreichen, ehe sie am Parkplatz ist, und ich habe keine Ahnung, welchen Ausgang sie nimmt. Gibt es eine Möglichkeit, sie ausrufen zu lassen?«
    Die Frau fixierte mich mit dem einen Auge, während das andere zu dem Blatt mit Telefonnummern wanderte, das sie auf ihrem Schreibtisch befestigt hatte. Ohne ein Wort nahm sie den Hörer und wählte. »Wie heißt sie?«
    »Lyda Case.«
    Sie wiederholte den Namen, und gleich darauf hörte ich, wie ausgerufen wurde, Lyda Case möge zum Traveler’s-Aid-Schalter, Terminal 2 , kommen. Ich überhäufte sie mit Dankesbezeugungen, obwohl sie davon offenbar nichts hören wollte. Sie packte ihre Sachen fertig und verschwand dann nach einem knappen Abschied.
    Ich hatte keine Ahnung, ob Lyda Case auftauchen würde. Vielleicht hatte sie das Gebäude ja schon verlassen, als ihr Name ausgerufen wurde. Oder sie war zu müde oder lustlos, um irgend jemandem zuliebe zurückzukommen. Aus einem Impuls heraus ging ich um das Pult herum und setzte mich auf den Stuhl. Ein Mann kam vorbei, zog einen Koffer hinter sich her, der ihm so widerstrebend folgte wie ein Hund auf dem Weg zum Tierarzt. Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Zwölf Minuten waren vergangen. Ich sah in die oberste Schreibtischschublade, die nicht versperrt war. Bleistifte, Blöcke, Schachteln mit Aspirin, ein Wörterbuch für Spanisch. Ich las die Liste nützlicher Sätze auf der Rückseite. » Buenas tardes «, murmelte ich vor mich hin. » Buenas noches «. Gute Nacht. Ich würde bald verhungern.
    »Jemand hat mich ausrufen lassen? Ich habe meinen Namen über Lautsprecher gehört, und es hieß, ich sollte hierherkommen.« Der Akzent war texanisch. Lyda Case stand vor mir, das Gewicht auf eine Hüfte verlegt. Klein. Kein Make-up. Ganz Sommersprossen und krauses Haar. Sie trug eine dunkle Hose mit passender Weste — eine dieser Barkeeper-Uniformen, die man wahrscheinlich direkt ab Fabrik zum Großhandelspreis bestellen kann. Ihr Name war mit der Maschine auf die linke Brust gestickt . Sie trug eine diamanten besetzte Uhr, und in der rechten Hand hielt sie eine brennende Zigarette, die sie jetzt fallen ließ und mit dem Fuß austrat.
    »Was ist los, Süße? Bin ich falsch hier?« Mitte Dreißig. Lebhaftes Gesicht. Gerade kleine Nase und ein scharfes, trotziges Kinn. Ihr Lächeln enthüllte schiefe Eckzähne und Lücken dort, wo ihre ersten Backenzähne hätten sein sollen. Ihre Eltern hatten sich jedenfalls nicht in Unkosten gestürzt, um ihr das Gebiß richten zu lassen.
    Ich stand auf und streckte die Hand aus. »Hallo, Mrs. Case. Wie geht’s?«
    Sie ließ ihre Hand kurz in meiner ruhen. Ihre Augen hatten das schrille, unnatürliche Blau von Kontaktlinsen. Mißtrauen flackerte über ihr Gesicht. »Ich glaube nicht, daß ich Sie kenne.«
    »Ich habe aus Kalifornien angerufen. Sie haben zweimal aufgelegt.«
    Das Lächeln erstarb. »Ich dachte, ich hätte klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, daß ich kein Interesse habe. Hoffentlich sind Sie nicht meinetwegen den ganzen Weg hierhergeflogen.«
    »Doch, bin ich. Sie hatten gerade Feierabend gemacht, als ich die Lounge erreichte. Ich hoffe, Sie haben ein paar Minuten Zeit für mich. Können wir uns irgendwo unterhalten?«
    »Dort, wo ich herkomme, nennt man das, was wir jetzt machen, Unterhaltung«, fuhr sie mich an.
    »Ich meinte, privat.«
    »Worüber?«
    »Mich interessiert der Tod Ihres Ehemanns.«
    Sie starrte mich an. »Sind Sie Reporterin oder so was?«
    »Privatdetektivin.«
    »Ach ja, richtig. Das haben Sie ja am Telefon gesagt. Für wen arbeiten Sie?«
    »Im Augenblick für mich selbst. Davor für eine Versicherungsgesellschaft. Ich habe einen Lagerbrand bei Wood/Warren untersucht, als Hughs Name fiel. Ich dachte, Sie könnten mir etwas über die näheren Umstände

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