Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Titel: Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
seines Todes erzählen.«
    Ich konnte sehen, wie sie mit sich selbst kämpfte, wie das Thema sie reizte. Irgendwie stellte ich mir vor, daß ihr einige Dinge auf der Seele lagen, die sie sich immer wieder selbst erzählte, wenn sich die Stunde zwischen 14 und 15 Uhr in die Länge zog. Um diese Zeit wird irgend etwas im Hirn wach und ist für gewöhnlich in Plauderstimmung.
    »Was hat Hugh damit zu tun?«
    »Vielleicht nichts. Ich weiß nicht. Ich hielt es nur für merkwürdig, daß seine Laborwerte verschwunden sind.«
    »Warum machen Sie sich deshalb Gedanken? Hat sonst auch niemand getan.«
    »Dann wird es ja wohl Zeit, finden Sie nicht?«
    Sie warf mir einen langen, prüfenden Blick zu. Ihr Ausdruck wechselte von mürrisch zu schierer Ungeduld. »Da hinten gibt es eine Bar. Ich werde zu Hause erwartet und muß erst anrufen. Dreißig Minuten. Mehr kriegen Sie nicht. Ich nab’ heute wie blöd geschuftet und will meine müden Knochen ausruhen.« Sie ging los, und ich folgte ihr, mußte fast rennen, um mitzukommen.
    Wir setzten uns an einen Tisch in der Nähe des Fensters. Der Abendhimmel war stark bewölkt. Überrascht stellte ich fest, daß es regnete. Die Glasscheibe war streifig von Tropfen, die von den Windböen schräg dagegen getrieben wurden. Der Asphalt schimmerte wie schwarzes Öltuch, und die Lichter der Startbahn wurden von der spiegelnden Betonfläche des Vorfeldes zurückgeworfen. Drei DC-10 standen hintereinander an ihren Flugsteigen. Es wimmelte von Fahrzeugen, die die Flugzeuge mit Lebensmitteln versorgten, von Tankwagen und Männern in gelben Ölanzügen. Eine kleine Zugmaschine raste vorbei, hinter sich einen ganzen Schwanz aus Anhängern, auf denen sich die Koffer türmten. Während ich zusah, fiel eine Stofftasche auf das nasse Pflaster, aber niemand schien es zu bemerken. Irgend jemand würde heute abend noch zähneknirschend eine Stunde damit zubringen, Formulare über verlorengegangenes Gepäck auszufüllen.
    Während Lyda losging, um ihr Telefongespräch zu führen, bestellte ich einen Gespritzten für mich und eine Bloody Mary für sie, auf ihren Wunsch hin. Sie blieb lange fort. Die Kellnerin brachte die Drinks, dazu ein paar Brezeln in einer Dose. »Lyda wollte etwas zum Knabbern, da hab’ ich Ihnen das gebracht«, erklärte sie.
    »Muß ich gleich zahlen?«
    »Ach wo! Ich bin Elsie. Rufen Sie einfach, wenn Sie noch was brauchen.«
    Der Verkehr draußen am Boden ließ nach, und ich konnte sehen, wie die Fluggastbrücke von dem Flugzeug, das uns am nächsten war, abgezogen wurde. Auf der Position dahinter stand eine L-1011 mit beleuchteten Fenstern. Die Bar leerte sich allmählich, aber der Rauch hing noch immer in der Luft wie ein sichtbarer Fleck auf einem Foto. Ich hörte hohe Absätze auf unseren Tisch zuklappern, dann war Lyda zurück. Sie hatte ihre Weste ausgezogen, und ihre weiße Bluse war jetzt bis zu einem Punkt zwischen ihren Brüsten aufgeknöpft. Ihre Brust war gesprenkelt wie ein Vogelei, so daß sie fast sonnengebräunt aussah.
    »Tut mir leid, daß ich so lange gebraucht hab’«, entschuldigte sie sich. »Ich hab’ meine Wohnungspartnerin mitten in einem Nervenzusammenbruch erwischt, jedenfalls glaubt sie das.« Mit ihrer Selleriestange rührte sie den klaren Wodka in den gepfefferten Tomatensaft. Dann öffnete sie die Dose mit den Brezeln.
    »Hier, dreh’n Sie die Hand um, damit ich Ihnen welche geben kann«, forderte sie mich auf. Ich streckte sie aus, und sie füllte sie mit winzigen Brezeln. Sie hatten die Form von kleinen chinesischen Pagoden, die mit Salz verziert waren. Ihre Feindseligkeit hatte sich gelegt. Das hatte ich schon früher erlebt — Menschen, deren Mißtrauen zuerst die Form von Aggressivität annimmt, deren Widerstand an eine Mauer erinnert, und dann öffnet sich plötzlich ein Tor in dieser Mauer. Sie hatte beschlossen, mit mir zu reden, und da sah sie wohl keinen Sinn mehr darin, unhöflich zu sein. Außerdem bezahlte ich. Mit zehn Dollar in der Tasche konnte ich mir nicht mehr als Dreißig-Minuten-Drinks leisten.
    Sie hatte eine Puderdose herausgeholt und überprüfte jetzt ihr Make-up, runzelte die Stirn. »Großer Gott. Ich seh’ vielleicht aus.« Sie hievte die Tasche auf den Tisch und wühlte dann, bis sie ein Kosmetiktäschchen gefunden hatte. Sie zog den Reißverschluß auf und holte verschiedene Dinge hervor. Dann verwandelte sie sich vor meinen Augen. Sie betupfte ihr Gesicht mit flüssiger Grundierung und rieb sie ein, was

Weitere Kostenlose Bücher