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Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Titel: Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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herumlaufen solltest.«
    »Keine Angst. Mir geht’s prima«, sagte ich. In Wirklichkeit fühlte ich mich ganz und gar nicht so toll, aber ich wollte meinen kleinen Kopf erst wieder betten, wenn ein paar Fragen beantwortet worden waren. Ich lief auf Hochtouren — Adrenalin — , keine schlechte Energiequelle. Wenn es ausgebrannt war, fühlte man sich zwar beschissen, aber im Augenblick schien es mir besser, mich zu bewegen.

18

    Ich ließ mich von Darcy absetzen. Wenn es um eine Befragung geht, ziehe ich es vor, allein zu arbeiten, vor allem dann, wenn ich nicht sicher bin, mit wem ich es zu tun habe. Menschen sind leichter zu handhaben, wenn man sich eins zu eins gegenübersteht; man kann dann besser improvisieren, besser verhandeln.
    Das Apartmenthaus war im spanischen Stil erbaut, wahrscheinlich in den dreißiger Jahren. Das rote Ziegeldach hatte vor Alter die Farbe von Rost angenommen,     Ich klopfte an die Tür von Apartment D. Von Andys Wagen war auf der Straße nichts zu sehen gewesen, aber es bestand immer noch die Möglichkeit, daß er hier war. Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte, wenn er an der Tür erscheinen würde. Es war fast sechs, und ich konnte riechen, daß jemand irgendwo Abendessen zubereitete, etwas mit Zwiebeln und Sellerie und Butter. Die Tür wurde geöffnet, und ich fiel fast auf den Hintern. Andys Exfrau starrte mich an.
    »Janice?« fragte ich ungläubig.
    »Ich bin Lorraine«, erklärte sie. »Sie suchen wohl meine Schwester.«
    Sobald sie sprach, ließ die Ähnlichkeit nach. Sie mußte Mitte Vierzig sein, ihr gutes Aussehen fing gerade an einzutrocknen. Sie hatte Janices blondes Haar und dasselbe spitze Kinn, aber ihre Augen waren größer und ihr Mund großzügiger. Ebenso ihr Körper. Sie war so groß wie ich, allerdings schätzungsweise zehn Pfund schwerer, und ich konnte sehen, wo sie diese Pfunde mit sich schleppte. Ihre Augen waren braun, und sie hatte sie mit schwarzem Eyeliner betont und sich falsche Wimpern angeklebt, die so dicht waren wie ein Pinsel. Sie trug enge weiße Shorts und ein knappes trägerloses Top. Ihre Beine waren einmal wohlgeformt gewesen, aber die Muskeln hatten jetzt das sehnige Aussehen angenommen, das verrät, daß kein Sport getrieben wird. Ihre Sonnenbräune sah aus wie die, die man im Schönheitssalon erwirbt — Bräune aus der Steckdose.
    Andy mußte sich wie im Himmel gefühlt haben. Ich kenne viele Männer, die sich immer wieder in denselben Typ Frau verliebt haben, aber die Ähnlichkeiten liegen normalerweise nicht so auf der Hand. Sie sah Janice verblüffend ähnlich. Der Unterschied bestand darin, daß Lorraine üppig war, wo die ehemalige Mrs. Motycka zum Kleinen, Trockenen, Gemeinen tendierte. Nach Andys Brief zu urteilen, war Lorraine mit ihren Zärtlichkeiten freigebiger gewesen, als Janice es jemals gewesen war. Sie machte Sachen mit ihm, die dafür sorgten, daß seine Syntax Saltos schlug. Ich fragte mich, ob die Affäre mit Lorraine vor oder nach seiner Scheidung angefangen hatte. Wie auch immer, die Liaison war gefährlich. Wenn Janice dahinterkaäm, würde ihn das eine hübsche Stange Geld kosten. Ganz kurz schoß mir der Gedanke durch den Kopf, daß irgend jemand diese Tatsache ausgenutzt haben konnte, um sich seine Mitarbeit zu sichern.
    »Ich suche Andy«, sagte ich.
    »Wen?«
    »Andy Motycka, Ihren Schwager. Ich komme von der Versicherungsgesellschaft, für die er arbeitet.«
    »Warum suchen Sie ihn hier? Er und Janice sind geschieden!«
    »Er hat mir diese Adresse gegeben, für den Fall, daß ich ihn mal dringend brauchte.«
    »Das hat er getan?«
    »Wäre ich sonst hier?«
    Mißtrauisch beäugte sie mich. »Wie gut kennen Sie Janice?«
    Ich zuckte die Achseln. »Eigentlich gar nicht. Ich hab’ sie bei den Partys in der Versicherung gesehen, ehe sie sich getrennt haben. Und als Sie eben die Tür aufgemacht haben, dachte ich, sie wäre es, weil Sie ihr so ähnlich sehen.«
    Sie schluckte das und verdaute es. »Warum suchen Sie Andy?«
    »Er ist gestern verschwunden, und niemand scheint zu wissen, wohin er

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