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Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Titel: Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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wo der Wagen war.
    Darcy fuhr uns zum Büro hinüber. Es gab kaum Verkehr. Die gesamte Innenstadt schien verlassen, wie als Folge eines nuklearen Angriffs. Der Parkplatz war leer, abgesehen von einer Reihe von Bierflaschen neben dem Kiosk, Überbleibseln einer Silvesterfeier.
    Wir nahmen die Hintertreppe. »Weißt du, was mich beunruhigt?« fragte ich Darcy, als wir hinaufstiegen.
    Sie schloß die Tür auf und sah über die Schulter zu mir zurück. »Nein, was?«
    »Nun ja, nehmen wir mal an, Andy hätte sich in diesem Fall der Verschwörung schuldig gemacht. Sieht doch so aus, auch wenn wir keinen Beweis dafür haben, oder?«
    »Ich würde sagen, ja.«
    »Ich begreife einfach nicht, warum er sich darauf eingelassen hat. Es geht immerhin um Versicherungsbetrug im großen Stil. Wenn er erwischt wird, verliert er seinen Lebensunterhalt. Was verspricht er sich also davon?«
    »Es muß sich irgendwie lohnen«, meinte Darcy. »Wenn Janice ihn so in die Enge getrieben hat, braucht er wahrscheinlich dringend Geld.«
    »Vielleicht. Das heißt, daß ihn irgend jemand so gut kennen muß, daß er glaubt, er wäre bestechlich. Andy war immer schon ein Gauner, aber ich hätte ihn nie wirklich für unehrlich gehalten.«
    Wir hatten die Glastüren der California Fidelity erreicht. »Was meinst du damit?« fragte sie, als sie aufschloß und wir eintraten. Sie schaltete die Deckenbeleuchtung ein und warf ihre Handtasche in einen Sessel.
    »Ich weiß nicht recht. Ich frage mich wohl, ob da noch was anderes dahintersteckt. Er sitzt zwar genau auf der richtigen Stelle, um die Formulare zu fälschen, aber trotzdem ist es ein großes Risiko. Und warum die Panik? Was ist schiefgegangen?«
    »Wahrscheinlich hat er nicht damit gerechnet, daß Olive getötet werden würde. Das muß irgendwie damit zu tun haben«, meinte sie.
    Wir gingen in Andys Büro. Interessiert sah Darcy zu, wie ich eine gründliche Durchsuchung vornahm. Es sah so aus, als wären seine Arbeitsunterlagen noch in Ordnung, aber all seine persönlichen Dinge waren verschwunden; das Foto seiner Kinder, das auf dem Schreibtisch gestanden hatte, sein ledergebundener Terminkalender, Adreßbuch, Telefonregister, sogar die gerahmten Urkunden, die ihm einige Jahre zuvor verliehen worden waren. Er hatte eine Porträtaufnahme von Janice zurückgelassen, eine Vergrößerung, die hochtoupiertes, blondes Haar, ein herzförmiges Gesicht und ein spitzes Kinn zeigte. Sie sah wirklich boshaft aus, selbst als sie so in die Kamera grinste. Andy hatte einen ihrer Schneidezähne schwarz angemalt und ein paar hübsche Haare eingezeichnet, die ihr aus der Nase wuchsen. Dadurch, daß er ihre Nasenlöcher ein bißchen vergrößert hatte, wirkte sie jetzt wie ein Schwein. Der ach-so-reife Andy Motycka, der seine Meinung über seine Exfrau kundtat.
    Ich setzte mich in seinen Drehsessel und betrachtete das Zimmer, fragte mich, wie ich ihm auf die Schliche kommen sollte. Wohin könnte er gegangen sein? Und warum war er so abrupt verschwunden? Hatte er die Bombe gelegt? Darcy blieb stumm, wollte meinen Denkprozeß nicht unterbrechen.
    »Hast du Janices Nummer?« fragte ich.
    »Ja, in meinem Schreibtisch. Soll ich anrufen und sehen, ob sie weiß, wo er ist?«
    »Ja, laß uns das tun. Denk dir ’ne Entschuldigung aus, und verrat bloß nichts. Wenn sie noch nicht weiß, daß er abgehauen ist, dann wollen wir es ihr auch noch nicht verraten.«
    »In Ordnung.« Darcy ging in den Empfangsbereich hinüber. Ich nahm mir die Akte vor, die ich mitgebracht hatte, holte alle Papiere heraus. Es war klar, daß Andy in einer schweren, finanziellen Krise steckte. Nahm man Janices Klage über den verspäteten Unterhaltsscheck und die rosa und rot eingerahmten Notizen, dann konnte man wohl davon ausgehen, daß sie immer noch Druck ausübte. Ich las noch einmal die verschiedenen Versionen seines Briefes an die unbekannte Geliebte. Mußte ein tolles Weihnachtsfest gewesen sein, das die beiden miteinander verbracht hatten. Vielleicht war er mit ihr durchgebrannt.
    Andys Kalenderblock lag noch immer an der äußersten Kante, zwei Datenblätter Seite an Seite, verbunden mit Clips. Er hatte seinen ledernen monatlichen Terminkalender mitgenommen, aber diesen hier hatte er zurückgelassen. Offenbar hatte er es sich angewöhnt, Termine auf beiden Kalendern zu notieren, damit seine Sekretärin immer wußte, wo er sich aufhielt. Ich blätterte die vergangene Woche durch, Tag für Tag. Am Freitag, 24. Dezember, hatte er 9 Uhr rot

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