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Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Titel: Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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noch eine Nacht im Krankenhaus verbringen zu dürfen. Die sauberen, weißen Laken erschienen mir plötzlich sonderbar einladend. Außerdem hatte ich Hunger und hätte ausnahmsweise gern einmal etwas Nahrhafteres gegessen als Cracker mit Erdnußbutter, die mich erwarteten.
    Daniels Wagen parkte am Straßenrand vor meiner Wohnung. Ich sah hinein, erwartete fast, ihn schlafend auf dem Rücksitz zu finden. Ich trat durchs Tor und ging um Henrys Flaus herum in den Hof. Daniel saß auf der Mauer, die Henrys Grundstück gegen das von unserem Nachbarn zur Rechten abgrenzte. Daniel, die Ellbogen auf die Knie gestützt, blies eine leise, traurige Melodie auf seiner Harmonika. Mit den Cowboystiefeln, den Jeans und der Jacke aus Blue Denim hätte er auf einer Ranch sein können.
    »Wird ja langsam Zeit, daß du nach Hause kommst«, meinte er. Er schob die Mundharmonika in die Tasche und stand auf.
    »Ich mußte was erledigen.«
    »Du arbeitest doch immer. Du solltest besser auf dich achtgeben.«
    Ich schloß meine Haustür auf und trat ein, schaltete das Licht an. Ich warf meine Handtasche in einen Sessel und sank auf die Couch. Daniel ging in meine Kochnische und öffnete den Kühlschrank.
    »Kaufst du eigentlich nie ein?«
    »Wozu denn? Ich bin nie zu Hause.«
    »Herrje.« Er zog einen Rest Butter heraus, ein paar Eier und eine Packung Käse, der so alt war, daß er an den Ecken wie Plastik aussah. Während ich ihn beobachtete, durchsuchte er meine Küchenschränke und sammelte Verschiedenes zusammen. Ich rutschte ein Stück herunter, legte den Kopf auf die Sofalehne und die Füße hoch. Ich war ausgebrannt an schnippischen Bemerkungen, und ich brachte es auch überhaupt nicht fertig, wütend zu sein. Ich hatte diesen Mann einmal geliebt, und wenn diese Gefühle auch vergangen waren, so war doch eine gewisse Vertrautheit geblieben.
    »Wie kommt es, daß diese Wohnung so komisch nach alten Socken riecht?« fragte er. Er schnitt bereits Zwiebeln mit seinen geschickten Fingern. Genauso spielte er auch Klavier, mit sorgloser Kunstfertigkeit.
    »Das ist mein Farn. Hat mir jemand als Haustier geschenkt.«
    Mit spitzen Fingern pickte er ein Stück Schinken auf, schnüffelte mißtrauisch daran. »Das Zeug hier ist steinhart.«
    »So hält es länger.«
    Er zuckte nur die Achseln und zog die drei restlichen Schinkenstücke heraus, ließ sie mit leicht klirrendem Geräusch in die Pfanne fallen. »Himmel, ein Nachteil daran, Drogen aufzugeben, ist der, daß das Essen einfach nicht richtig schmeckt. Wenn man Dope raucht, ißt man immer das beste Mahl, das man je gehabt hat. Ist eine echte Hilfe, wenn man pleite ist oder unterwegs.«
    »Dann hast du das harte Zeug wirklich aufgegeben?«
    »Leider. Keine Zigaretten, kein Kaffee. Ich trinke hin und wieder mal ’n Bier, aber ich hab’ schon geseh’n, du hast keins. Bin fünfmal die Woche zu den Treffen der AAs gegangen, aber das Gerede von der höheren Macht ging mir schließlich auf die Nerven. Es gibt keine Macht, die höher ist als Heroin, darauf geb’ ich dir mein Wort.«
    Ich fühlte, wie ich absackte. Er summte vor sich hin, eine Melodie, an die ich mich schwach erinnerte und die sich mit dem Duft von Schinken und Eiern vermischte. Was konnte besser riechen als ein Abendessen, das jemand anderer zubereitete?
    Er rüttelte mich sanft, und als ich aufwachte, lag ein Omelett auf einem vorgewärmten Teller auf meinem Schoß. Ich setzte mich auf, hatte plötzlich wieder einen Bärenhunger.
    Daniel setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und teilte sein Omelett, während er redete. »Wer wohnt im Haus?«
    »Mein Vermieter, Henry Pitts. Er ist gerade in Michigan.«
    »Hast du was mit ihm?«
    Ich machte eine Pause zwischen zwei Bissen. »Der Mann ist zweiundachtzig.«
    »Hat er ein Klavier?«
    »Ich denke, ja. Wahrscheinlich nicht gestimmt. Seine Frau hat früher gespielt.«
    »Ich würde es gern ausprobieren, wenn man da dran kommt. Glaubst du, es würde ihm was ausmachen?«
    »Bestimmt nicht. Ich hab’ seinen Schlüssel. Meinst du heute abend?«
    »Morgen. Ich muß gleich wohin.«
    So, wie das Licht auf sein Gesicht fiel, konnte ich die Falten nahe seinen Augen sehen. Daniel hatte ein hartes Leben hinter sich, und er alterte schnell. Er wirkte hager. »Ich kann einfach nicht glauben, daß du Privatdetektivin bist. Kommt mir komisch vor.«
    »Auch nicht viel anders, als Polizistin zu sein. Ich gehöre nur nicht mehr zur Bürokratie, das ist alles. Trage keine Uniform, muß nicht

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