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Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Titel: Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Grübchen erschien, ein Lächeln zuckte über sein Gesicht, aber es war freudlos, und ich fragte mich, ob ich ihn nicht vielleicht verletzt hatte. Jetzt wurde er unruhig, warf einen Blick auf seine Uhr.
    »Ich muß gehen«, erklärte er abrupt. Er sammelte Teller und Besteck zusammen und trug es in die Küche. Während er kochte, hatte er bereits aufgeräumt, eine alte Angewohnheit von ihm, so daß er jetzt nicht mehr viel zu tun hatte. Um sieben Uhr war er verschwunden. Ich hörte das Donnern und Rattern seines Wagens, als er ihn anließ und abfuhr.
    Die Wohnung schien dunkel. Außergewöhnlich ruhig.
    Ich schloß ab. Ich nahm ein Bad, achtete darauf, daß das Wasser nicht an meine Wunden kam. Dann wickelte ich mich in meine Decke und schaltete das Licht aus. Das Beisammensein mit ihm hatte Schmerzen zurückgebracht, wenn auch in der Form versteinerter Fossilien, Zeugnisse eines alten Gefühlslebens, das seine Abdrücke im Fels hinterlassen hatte. Ich betrachtete die Gefühle wie eine fremde Spezies, aus Neugier, wenn aus keinem anderen Grund.
    Wenn man mit einem Süchtigen verheiratet ist, ist man so einsam, wie es nur möglich ist. Rechnete man dann noch seine chronische Untreue dazu, dann hatte man genug Stoff für reihenweise schlaflose Nächte. Es gibt Männer, die die ganze Nacht durchmachen, die einfach stundenlang nicht auftauchen. Man liegt im Bett und redet sich ein, man würde sich Sorgen machen, daß er den Wagen wieder einmal zu Schrott gefahren hat, daß er betrunken oder im Gefängnis ist. Man redet sich ein, Angst zu haben, er wäre überfallen worden, überfahren, verstümmelt, hätte eine Überdosis erwischt. Aber was einem wirklich Sorgen macht, ist der Gedanke, er könnte mit einer anderen zusammensein. Die Stunden kriechen dahin. Von Zeit zu Zeit hört man einen Wagen näher kommen, aber nie ist es seiner. Um 4 Uhr früh weiß man nicht mehr, ob man sich wünschen sollte, er sollte heimkommen oder er wäre tot.
    Daniel Wade war es, der mir beibrachte, das Alleinsein zu schätzen. Was ich heute ertrage, ist gar nichts im Vergleich mit dem, was ich mit ihm ertragen mußte.

19

    Der Gedächtnisgottesdienst für Olive wurde um 2 Uhr nachmittags am Sonntag in der Unitarian Church abgehalten. Es war eine spartanische Zeremonie in einer Umgebung, die bar jeglicher Übertreibung war. Nur die Familie und ein paar enge Freunde waren anwesend. Es gab Unmengen von Blumen, aber kein Sarg war zu sehen. Der Boden war rot gefliest, glänzend und kalt. Die Bänke waren aus Holz geschnitzt und poliert, aber ohne Kissen. Die hohe, leichte Decke verlieh der Kirche eine gewisse Luftigkeit, aber sonderbarerweise fehlte jeglicher Schmuck, und nirgendwo gab es religiöse Darstellungen. Selbst die Bleiglasfenster waren schlicht cremefarbig, mit nur einer Andeutung von grünen Ranken, die sich um die Kanten wanden. Anscheinend halten die Unitarier nichts von Eifer, Frömmigkeit, Glauben, Buße und Sühne. Jesus und Gott wurden nicht erwähnt, und ebensowenig kam das Wort »Amen« irgend jemandem über die Lippen. Anstelle von Bibelversen wurde aus den Schriften von Bertrand Rüssel und Kahlil Gibran gelesen. Ein Mann mit einer Flöte spielte mehrere trauervolle klassische Weisen und schloß mit einem Stück, das verdächtig nach Send In The Clowns klang. Es gab keine Trauerpredigt, sondern der Pfarrer plapperte im Konversationston über Olive und forderte die Versammelten auf, sich zu erheben und ihre Erinnerungen an sie zu teilen. Niemand hatte den Nerv dazu. Ich saß hinten, in meinem Allzweckkleid, wollte nicht aufdringlich wirken. Ich bemerkte, daß sich mehrere Leute anstießen und zu mir umdrehten, als wäre ich berühmt geworden, weil ich mit ihr zusammen in die Luft gegangen war. Ebony, Lance und Bass blieben gefaßt. Ash weinte, ebenso wie ihre Mutter. Terry saß ganz allein in der ersten Reihe, vornübergebeugt, den Kopf in die Hände gestützt. Die ganze Gemeinde beanspruchte nicht mehr als vielleicht die vordersten fünf Reihen.
    Anschließend versammelten wir uns in dem kleinen Garten, wo man Champagner und Kanapees servierte. Alle waren höflich und behutsam. Es war ein heißer Nachmittag. Die Sonne strahlte. Der Garten selbst blühte bunt in allen Farben, goldene, orange- und purpurfarbene sowie rote Blüten zogen sich an der weißen Wand entlang, die den Friedhof umzäunte. Der steinerne Brunnen plätscherte leise, gelegentlich sprühte eine leichte Brise Wasser auf die Pflastersteine.
    Ich bewegte mich

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