Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass
durchweicht, und meine Hosen klebten an meinen Oberschenkeln wie eine Ladung nasser Wäsche. Was aus meiner Lederjacke geworden war, wusste ich nicht. Wenn sie noch im Restaurant hing, würde sie bestimmt geklaut werden. Meine ausgelatschten Pumps und meine weißen Söckchen waren dreckbespritzt und machten bei jeder Fußbewegung quatschende Geräusche. In meinem Haar hing immer noch der Smoggeruch von abgestandenem Zigarettenqualm. Hinter meinem Rücken schnitten mir die metallenen Handschellen in die geschundenen Gelenke.
Bibiannas Stimmung war umgeschlagen. Sie gab sich jetzt so sachlich-gelassen, als seien Schießereien, Tod und Widerstand gegen die Polizeigewalt für sie etwas Alltägliches. Sie streckte einen Fuß in die Höhe und inspizierte ihren Schuh. »Die Scheißschuhe sind auch hin«, bemerkte sie. »Das ist das Blöde an Wildleder. Einmal damit in den Regen, und schon ist es Matsch. Wenn ich bloß eine Zigarette hätte! Glauben Sie, die nehmen meine Tasche mit?«
»Hoffentlich nicht. Da ist doch wohl noch der Joint drin.«
Das entlockte ihr fast schon ein Lachen. »Oh, stimmt ja. Hab’ ich ganz vergessen. Ich hab’ echt kein Glück. Was bringt es, sich aus der Scheiße rauszurappeln, wenn doch alles wieder den Bach runter geht?«
Sie lugte hinaus zu den verschiedenen Vertretern des Gesetzes, die da im Regen herumstanden. »He! Macht mal voran, Froschgesichter! Woran hängt’s denn noch?« Es war sinnlos, gegen die geschlossenen Scheiben zu brüllen. Einer der Polizisten drehte sich um und sah sie an, aber ich war sicher, dass er kein Wort gehört hatte. »Bullenschwein«, sagte sie freundlich zu ihm. »Hier, du Wichser. Darfst mal gucken.« Sie streckte ein Bein in die Luft. Er sah weg, und Bibianna lachte.
9
Selbst in dem harten Licht der Laternen hatte ihre zarte dunkle Haut noch etwas Strahlendes. Dichte Wimpern, dunkle Augen, ein breiter Mund, auf dem noch immer der feuerrote Lippenstift glänzte. Wie schaffte sie es nur, dass das Zeug so lange draufblieb? Wenn ich mich damit versuchte, blieb er immer am ersten Glas kleben, das ich an die Lippen setzte. Ihrer schimmerte frisch und feucht und gab ihrem Gesicht Farbe. Trotz ihrer unflätigen Worte blitzten ihre Augen belustigt. »Ist doch nicht zu fassen! Die werden dafür bezahlt, dass sie dumm rumstehen«, sagte sie. Dann sah sie mich an. »Wie geht’s denn so?«
»Ging mir schon besser. Haben Sie eine Ahnung, wohin Dawna verschwunden ist?«
»Sie wird wohl versucht haben, mit Raymond zu telefonieren. O Mann, der rastet aus, wenn er erfährt, dass Chago tot ist.«
»Was sind das für Leute?«
»Fragen Sie nicht.«
»Was haben Sie denn gemacht, dass die so sauer auf Sie sind?«
»Geht eher drum, was ich nicht gemacht hab’.«
»Schulden Sie ihnen Geld?«
»Von wegen! Sie schulden mir welches. Mir ist schleierhaft, wie sie mich überhaupt aufgestöbert haben. Was haben Sie noch mal gesagt, wie Sie heißen?«
Einen Moment lang konnte ich mich nicht erinnern, welchen Satz falsche Papiere ich eingesteckt hatte. »Hannah Moore.«
Nach einer kurzen, spannungswirksamen Pause fragte sie: »Und wie sonst noch?«
»Wie >wie sonst noch«
»Haben Sie keinen zweiten Vornamen?«
»Oh, doch, klar«, sagte ich. »Ähm... Lee.«
Ihre Stimme wurde tonlos. »Das glaub’ ich nicht.«
Ich fühlte, wie mein Herz stockte, brachte aber dennoch ein vieldeutiges Murmeln zustande.
»Das ist mir ja noch nie begegnet — jemand mit drei Paar Doppelbuchstaben im Namen. Zwei n in Hannah. Zwei e in Lee, und die zwei o in Moore. Und außerdem ist Hannah noch ein Palindrom, weil man es vorwärts und rückwärts lesen kann. Hat Ihnen schon mal jemand Ihre Zahlen gedeutet?«
»Sie meinen so was wie Numerologie?«
Sie nickte. »Ist ein Hobby von mir. Ich kann Ihnen ja irgendwann mal ein Horoskop stellen... dazu brauche ich nur Ihr Geburtsdatum. Aber eins kann ich Ihnen auch so schon sagen: Ihre Zahl ist die Sechs. Harmonie und Ausgleich, das ist Ihr Ding, stimmt’s? Menschen wie Sie sind dazu gemacht, die goldene Regel unter die Leute zu tragen.«
Ich musste unwillkürlich lachen. »Ach, wirklich? Woher wissen Sie das?«
Ein uniformierter Polizist kam jetzt mit Bibiannas Handtasche zu unserem Streifenwagen herüber und stieg ein. Während er die Tür zuschlug, sah er mir per Rückspiegel in die Augen. Offenbar war es sein Job, uns in den Knast zu befördern. Er hielt die Tasche hoch. »Gehört das hier einer von Ihnen?«
»Mir«, sagte Bibianna, mit
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