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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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unregelmäßigen Abständen brachte er seine Ticks hinter sich. Wenn er mit Luis sprach, schienen sich die Zuckungen zu legen, um dann mit doppelter Heftigkeit wieder einzusetzen, sobald er den Mund hielt. Bibianna hatte sich für ein unruhiges Nickerchen auf dem Rücksitz zusammengerollt. Zumindest brauchte sie sich jetzt keine Gedanken wegen irgendwelcher Bullen zu machen, die sie ausquetschen wollten. Ich war total aufgedreht. Meine Müdigkeit war in den letzten paar Stunden auf dem Weg über die absolute Erschöpfung ins gegenteilige Extrem umgeschlagen. Durch meine Arbeit habe ich weiß Gott oft genug mit unangenehmen Menschen zu tun, aber auf Gewalt oder Gefahr für Leib und Leben stehe ich überhaupt nicht. Meine halbjährlichen Zahnarztbesuche sind das Äußerste an Masochismus, was ich mobilisieren kann. Und jetzt saß ich hier, in einem Auto mit diesen Vatos, und wusste nicht, wie ich es anstellen sollte, die Nummer anzurufen, die mir Lieutenant Dolan gegeben hatte. Ich vermisste meine geliebte Handtasche, meine Jacke und meine Pistole. Aber gleichzeitig fühlte ich mich — das muss ich gestehen — ganz außergewöhnlich lebendig. Vielleicht war das ja nur einer dieser Höhenflüge vor dem endgültigen Absturz.
    In Oxnard verließen wir die Schnellstraße, um uns jetzt auf dem Highway I durch den südöstlichen Teil der Stadt zu winden, vorbei am Naval Construction Battalion Center in Port Hueneme (ausgesprochen »Iu-nie-mie«). Die Straße verlief jetzt parallel zum Meer, dessen dunkles Blaugrün rechts neben uns zu sehen war. Die Strände waren leer, bis auf ein paar Angler, die ihre Köder auswarfen. Der Sand war vom Regen dunkel und verkrustet, aber der Himmel erstrahlte jetzt in einem klaren, wolkenlosen Azurblau. Die Morgensonne hatte den Nebel weggebrannt, und ich konnte bis zum Horizont schauen. Auf der Landseite wehte feiner Erosionssand von rosa-beigen, durch Urgewalten in Falten gepresste Felsen, und die Berge liefen in blassgraues Gestrüppland aus, das hier und da durch ein Fleckchen Grün belebt wurde.
    Nachdem wir Point Dume passiert hatten, tauchten auf dem immer breiter werdenden Streifen zwischen Straße und Meer die ersten Häuser auf. Mit jeder Meile verdichteten sie sich. Auf der Parkspur reihten sich Kombis und Kleintransporter Stoßstange an Stoßstange, und junge Burschen in Shorts und Thermoprenanzügen luden Surfbretter und Segel ab. Als wir nach Malibu kamen, drängten sich Apartment-, Mehrfamilien- und Einfamilienhäuser dicht nebeneinander, ein wilder architektonischer Mischmasch, der von Chateaus über Strandhäuschen, italienische Villen und Landhäuser im Tudorstil bis hin zu Cape-Cod-Cottages und Beton-Silos alles umfasste. Die reichen Leute mit Geschmack waren offenbar gerade verhindert gewesen, als die Planungskommission entschieden hatte. (Welche Planungskommission?) Folglich war die Straße jetzt dicht gesäumt von Einzelhandelsgeschäften aller Art, und Schilder warben für Texaco-Benzin, Baustoffe, Bücher, Schuhe, einen Foto-Schnelldienst, ein Jack-in-the-Box-Schnellrestaurant, ein Motel, das Malibu Inn, Spirituosen, Jimmy’s Strandgrill, Gebrauchtwagen, Handlesen und Kartenlegen, Shell-Benzin, Immobilien, Arco Tag & Nacht-Service, ein Reisebüro, noch ein Motel, wieder Spirituosen, Pizza, wieder Immobilien, einen Schlüsseldienst, einen Schuh-Reparatur-Service, den Malibu-Fischmarkt... ein stilloses Sammelsurium aus Neonreklamen, Plakatwänden und blinkenden Lichtern. Dazwischen wälzte sich ein permanenter Stau aus Edelkarossen Marke Mercedes, BMW und Jaguar.
    Wir hielten an der Ampel, wo der Sunset Boulevard am Pacific Coast Highway endet. Die Frau in dem kleinen Sportwagen neben uns äugte misstrauisch auf Luis’ Strickmütze und seine Walt-Disney-Arme. Das stimulierte bei ihm ein obszönes Ansinnen, mit dem er nicht hinterm Berg hielt. Raymond klopfte ihm tadelnd auf den Kopf. Vielleicht trug er ja deshalb die Strickmütze — um den Gehirnschaden auf ein Minimum zu begrenzen.
    Luis rieb sich ärgerlich den Kopf. »He, Mann, immer mit der Ruhe.«
    »Halt du Ruhe«, blaffte Raymond zurück, mit einem Entschuldigung heischenden Seitenblick auf mich. Ganz offensichtlich betrachtete er mich als die einzig kultivierte Person unter all diesen Plebejern.
    Als die Ampel auf Grün sprang, fuhr Luis mit einer Ruck-Serie an, die das ganze Heck ins Wippen brachte. Binnen weniger Minuten gelangten wir vom blühenden Wohlstand in die absolute Trostlosigkeit.
    Unser Ziel

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