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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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war ein Küstenbezirk ein paar Kilometer südlich des Flughafens in einer von Armut gezeichneten Gegend. Die östlichen Vorstadtghettos Compton, South Gate und Lynwood waren strikt in verschiedene Bandenreviere unterteilt, auf die sich pro Normalwochenende fünfzehn bis zwanzig Morde verteilten. Hier gab es nichts als eine endlose Wüste aus Betonbauten, besprüht mit den Reviermarkierungen der verschiedenen Gangs in kantigen schwarzen Lettern. Ich wäre gern dabei, wenn die Gelehrten künftiger Zeiten diese Schrifttafeln einmal ausgraben und enträtseln. Selbst die öffentlichen Busse waren verunstaltet — rollende Boten, die die Beleidigungen zwischen den Gangs hin und her trugen. Die Straßen waren mit Müll und alten Reifen übersät. Flaschen und Dosen und alles andere, was sich wieder verflüssigen ließ, hatten die Penner aufgesammelt. Ein zerfleddertes Sofa stand am Bordstein, als ob es auf den Bus wartete. Lustlose Ghetto-Krieger lungerten vor einem Eckladen herum. Auf der Landseite des vierspurigen Boulevards war jede dritte Ladenfront mit Brettern verrammelt. Die noch existierenden Geschäfte schützten ihre mit Werbeplakaten bepflasterten Schaufensterscheiben mit Stahlgittern.
    Ich sah einen Burger King, einen Sav-On Drugstore, einen Schallplattenladen mit einem großen GESCHLOSSEN-Schild, eine Poststelle mit einer schlaff von ihrer Stange baumelnden US-Fahne. Auf der Meerseite der Straße erstreckte sich ein ödes Einerlei aus kleinen Holzhäuschen und kastenartigen Apartmentblocks. Die Grundstücke schienen sämtlich aus kahlem Erdboden hinter Maschendrahtzäunen zu bestehen. Die armen Wohnviertel aller mir bekannten Großstädte haben bestimmte Merkmale gemeinsam: halb eingesackte Veranden, abblätternde Farbe, Gras, das extrem widerstandsfähig ist, wenn es überhaupt wächst, unbebaute Grundstücke voller Schutt und Schrott, Pepsi-Cola-Schilder, herumlungernde Kinder, auf Dauer am Bordstein abgestellte Autos mit platten Reifen, leer stehende Häuser, lethargische Männer, die einem aus leeren Augen nachstarren, wenn man vorbeifährt. Gewalt ist die Form von Theater, die sich die Unterprivilegierten leisten können. Der Eintritt ist billig. Geboten wird das immer wieder neue Drama von Leben und Tod, Drogen und Raubüberfällen, Schüssen aus fahrenden Autos, Vergeltungsakten und der Angst der Mütter, die am Rand stehen und zugucken. Und oft genug sind es die Statisten und die Zuschauer, die dem Kugelhagel zum Opfer fallen.
    Wir bogen landeinwärts ab und fuhren sechs quadratische Sozialbaublocks geradeaus. Ich fühlte Angst in mir aufsteigen wie gärende Übelkeit.
    Als wir bei Raymonds Wohnung ankamen, hatte ich keine Ahnung, in welchem Teil von Los Angeles ich mich befand. Wir parkten vor einem dreistöckigen Apartmentbaus gegenüber von einem Auto-Schrottplatz. Der Apartment-Komplex umfasste etwa vierzig Wohneinheiten, die sich in versetzten Schichten um einen betonierten Hof gruppierten. Auf den ersten Blick schien das Ganze nicht mal besonders schäbig. Das Viertel hier war nicht halb so heruntergekommen wie viele, die wir durchquert hatten.
    Es war jetzt Vormittag, und obgleich noch ein frisches Lüftchen wehte, standen die meisten Wohnungstüren offen. Was ich von den Räumlichkeiten dahinter erspähen konnte, war überfüllt, voll gepfropft und trostlos. In allen Fernsehern schienen englischsprachige Seifenopern zu laufen, während aus den auf den Geräten platzierten Radios spanische Musik dudelte, die in seltsamem Kontrast zu den Bildern aus der Gringo-Welt stand. Überall sah ich Halloween-Dekorationen, aber manche waren schon so alt, dass die Kürbisse bereits schrumpelten und die Krepp-Papier-Skelette eine Staubschicht trugen.
    Wir stiegen alle vier über eine Hintertreppe hinauf in den zweiten Stock, wo wir uns nach links wandten und auf ein Apartment zusteuerten, das nach vorn zur Straße hinausging. »Ist das Ihre Wohnung, wo wir jetzt hingehen?«, fragte ich Raymond. Er marschierte mit Bibianna unmittelbar vor mir. Luis bildete die Nachhut, für den Fall, dass ich mich absetzen wollte.
    »Das hier ist für uns, wenn wir verheiratet sind«, sagte Raymond mit einem scheuen Seitenblick auf Bibianna. Er schien sich plötzlich an etwas zu erinnern und kramte in seiner Hosentasche. Was er zu Tage förderte, war ein Schlüssel an einem Metallring mit einem großen Plastik-M, wahrscheinlich für Maldonado. Er überreichte ihn Bibianna. Es war wohl als feierlicher Moment gedacht, aber sie

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