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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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legen. Ich erwog kurz, wieder auf die Suche nach dem Telefon zu gehen, entschied dann aber, Dolan doch lieber nicht anzurufen, solange Bibianna in der Wohnung war. Je weniger sie über mich wusste, desto besser. Ich stellte den Fernseher an. Der Tag fühlte sich schon jetzt irgendwie komisch an — leer, unstrukturiert, sinnlos und reizlos wie ein Zwangsurlaub in einem Billig-Ferienparadies.
    Bibianna schien in ihr Tun versunken, und ich störte sie ungern, aber wir waren so selten allein, und ich musste dringend ein paar Dinge in Erfahrung bringen.
    »Wie oft kriegt er denn seine Ausbrüche?«, fragte ich.
    Sie sah mich düster an. »Nicht jeden Tag. So zwei-, dreimal die Woche«, sagte sie. »Ich hab’ mal mit Chago drüber geredet, und er hat mir erzählt, dass es schon angefangen hat, als Raymond noch klein war. Er hat mit den Augen gekniept, und dann ging die Zuckerei los, und dann kam dieses komische Bellen. Sein Vater hat gedacht, er würd’ es absichtlich tun, um Aufmerksamkeit zu schinden. Deshalb hat er ihn geprügelt. Er hat auch noch andere Sachen mit ihm gemacht, für die er dann ins Gefängnis gekommen ist. Der arme Raymond. Er war so zapplig in der Schule, dass er dauernd Scherereien gekriegt hat. Deshalb ist seine Mutter wohl auch abgehauen...«
    »Und seither ist es so? Die ganze Zeit, die du ihn kennst?«
    »Es war mal eine Zeit lang besser, aber dann hat es wieder angefangen, noch schlimmer als vorher.«
    »Können die Ärzte denn gar nichts machen?«
    »Welche Ärzte? Er geht zu keinen Ärzten. Manchmal beruhigt ihn Sex. Oder Alkohol oder Schlaf oder Dope. Einmal hatte er Grippe und vierzig Fieber. Da war alles bestens, nicht das klitzekleinste Zucken. Zwei Tage ging’s ihm prima. Dann ging die Grippe wieder weg, und es fing wieder an, diesmal mit diesem Lippengelecke und dem komischen Gemache mit den Händen. Ich will nicht mehr drüber reden. Es zieht mich nur runter.«
    Raymond erschien um die Mittagessenszeit, mit einer zusammengefalteten Zeitung unter dem Arm und einer Tüte Doughnuts. Luis und der Hund kamen direkt nach ihm. Wenn Raymond um seinen Bruder trauerte, merkte man es ihm jedenfalls nicht an. Das Gezucke schien mir heute nicht ganz so schlimm, aber ich war mir nicht sicher. Er ging in Abständen aus dem Zimmer, und ich hatte den Verdacht, dass er sich nach nebenan verzog, um Luft abzulassen. Oder um zu fixen. Ich lungerte in meinem Sessel, die bloßen Beine über der Armlehne und mit der einen Sandale schlappend, und war gerade dabei, in eine immens kitschige Seifenoper einzusteigen, als sich beide Männer an den Küchentisch setzten und leise auf Spanisch miteinander redeten. Als die nächste Runde Werbung kam, ging ich in die Küche. Ich nahm mir ein Glas Wasser, blieb dann hinter ihnen stehen und spähte über Raymonds Schulter, um herauszufinden, was sie da trieben. Es war ganz offensichtlich die schiere, penetrante Neugier, schien ihn aber nicht weiter zu stören. Was ich für die Tageszeitung gehalten hatte, entpuppte sich als kostenloses Kleinanzeigenblatt. Luis suchte die Rubrik Autos und faltete die Seiten um. Ich sah auf das Datum. Donnerstag, 27. Oktober. Demnach wohl die druckfrischen Angebote zum Wochenende. Luis übersprang die Lastwagen, Kombis und ausländischen Marken und konzentrierte sich ganz auf die einheimischen Fabrikate.
    »Da ist einer«, sagte Luis. Mit einem Neon-Marker umkringelte er eine Offerte über einen 79er Caddy. Ich beugte mich näher heran und las: »Guter Zustand, $ 999. VB.«
    »Was heißt VB?«, fragte ich. Ich wusste es zwar, wollte aber ein wenig Interesse demonstrieren und hielt es für das Sicherste, mich dumm zu stellen.
    »Verhandlungsbasis«, sagte Raymond. »Suchen Sie einen Cadillac?«
    »Wer? Ich? Nicht speziell.«
    »Der da gefällt mir, der Chrysler Cordoba«, sagte Raymond zu Luis, wobei er auf die nächste Spalte tippte. Luis malte ein wackliges Ei um die Anzeige, die da sagte: »Bj. 77, weiß, Motor/Kar. einwandfr., $ 895/VB.« Unter beiden Annoncen waren Telefonnummern angegeben.
    Raymond stand auf, ging hinaus und kam mit dem Telefon zurück. Er stöpselte es in die Dose in der Wand. Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich. Luis fuhr fort, Anzeigen einzukringeln, während Raymond Anruf um Anruf tätigte, sich eingehend nach dem jeweiligen Wagen erkundigte und die Adresse notierte. Als sie alle Anzeigen durchhatten, stellte er auf einem Blatt Papier eine Liste zusammen.
    Raymond sah mich an. »Haben Sie eine

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