Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass
sie. Das verflixte Biest machte mich ganz sentimental.
Raymond und Chopper wechselten noch ein paar Worte. Wir ließen den Wagen stehen und gingen zu Fuß zu dem Apartment-Haus hinüber.
16
Bibianna war schon zu Hause. Sie saß am Küchentisch und versah ihre Fingernägel mit einer knallroten Lackschicht. Sie trug rote Shorts und ein Top mit einem lebhaften Dschungelmuster in Rot, Schwarz, Olivgrün und Weiß. Ihre Haare waren oben auf dem Kopf zu einem glänzenden schneckenförmigen Gebilde verschlungen. Luis war mit dem Hund draußen. Ich wunderte mich, dass Bibianna nicht abgehauen war, solange sie die Möglichkeit dazu gehabt hatte. Raymond hatte vergessen, das Telefon zu verstecken. Er schien es gar nicht zu bemerken, aber Bibianna war es sichtlich bewusst. Sie guckte so geflissentlich an dem Apparat vorbei, dass sie ihn benutzt haben musste. Ich sah sie fragend an, aber ihr Gesicht verriet nichts. Ich überlegte, wen sie wohl angerufen hatte. Ihre Mutter? Jimmy Tate? Konnte er denn schon wieder draußen sein?
Raymond sah auf seine Armbanduhr. »Hey, gleich fünf. Sie müssen den Versicherungsfritzen anrufen.«
Mein Gespräch mit Mac war kurz. Raymond ließ es mich diesmal abwickeln, ohne sein Ohr mit an den Hörer zu quetschen. Ich meldete mich mit »Hannah Moore«, und Darcy verband mich mit Mac, der mir die Details meines Versicherungsschutzes darlegte und sorgsam darauf achtete, dass alles, was er mir zu sagen hatte, in den Ohren möglicher Mithörer harmlos klang. »Mr. Dolan hat mir versichert, dass Sie bei einem eventuellen Unfall vollen Schutz genießen. Haben Sie seine Nummer noch?«
»Ja, die habe ich. Vielen Dank für die Auskunft. Sehr nett von Ihnen.«
»Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung«, sagte er. »Und fahren Sie vorsichtig.«
»Ich tu’ mein Bestes.«
Als ich aufgelegt hatte, vervollständigte ich meine Notizen: Policen-Nummer, Rabatt, Haftungsschutz, Unfallschutz, Leistungen bei schwerwiegenden Gesundheitsschäden und im Todesfall. Ich ging davon aus, dass Mac mir eine Spezialpolice auf den Namen »Hannah Moore« ausgestellt hatte, die so markiert war, dass der Computer sofort Alarm schlagen würde, wenn eine Schadensmeldung einging. Ich sagte Raymond die Policen-Nummer und das Ausstellungsdatum, das Mac mir durchgegeben hatte.
Kurz darauf hörte ich draußen auf dem Bürgersteig Perros Tapsen und das pfeifende Geröchel, das daher rührte, dass er an der Leine zerrte. Luis öffnete die Wohnungstür, und der Hund kam munter hereingetänzelt. Irgendwo in seinem Spatzenhirn hatte er wohl doch beschlossen, mich wieder zu erkennen. Er schoss freudig auf mich zu und warf Bibianna bei dem Versuch, über ihren Schoß zu setzen, fast vom Stuhl. Bei mir angelangt, sprang er an mir hoch, um mir die Pfoten auf die Schultern zu legen, sodass wir uns in die Augen sehen konnten. Ich stützte mich mit einer Hand am Küchentisch ab, während er mir mit der Zunge über den Mund schlabberte. Bibianna war kreischend aufgesprungen und streckte die Hände in die Luft, damit er ihr nicht die frischlackierten Nägel ruinierte. Raymond schnippte mit den Fingern, aber der Hund war zu liebestrunken, um zu gehorchen. Raymond schrie etwas und überdeckte es mit einem Husten. Mein Blick fiel gerade in dem Moment auf sein Gesicht, als seine Augen wegkippten. Ein Tick zuckte um seinen Mund und verzog die Unterlippe grotesk nach unten. Sein Kopf fuhr zweimal ruckartig nach links. Der Mund öffnete sich. Der Zorn schien mit ihm durchzugehen. Er stürzte auf den Hund los und landete einen schlecht gezielten Fausthieb auf seiner massigen Schulter. Der Hund knurrte wütend und fuhr seinerseits auf ihn los. Raymond schlug noch einmal zu und traf ihn diesmal auf die Nase. Perro jaulte auf und kroch davon. Ich trat auf Raymond zu und stellte mich in die Bahn seiner rechten Geraden, während Bibianna sich an seine Brust warf. Raymond schob sie von sich. Er stieß mich zur Seite und hätte sicher ein weiteres Mal auf Perro eingedroschen, wenn nicht Luis inzwischen so klug gewesen wäre, den Hund am Würgehalsband zu packen und zur Tür zu zerren. Raymond stand keuchend da, und unter seinen flatternden Lidern war nur noch ein weißer Schlitz zu sehen. Die Wut und Brutalität in seinem Gesicht waren beängstigend, zumal sich sein Ausbruch ausgerechnet gegen den armen Hund richtete. Perro hatte etwas Trottelig-Naives an sich, das in uns allen Beschützerinstinkte weckte.
Bibianna schob Raymond in einen Sessel. »He,
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