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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Gegners.
    Der Caddy erwies sich als der ideale Rammbock. Verglichen mit dem, was wir unseren vier arglosen Mit-Automobilisten an Schaden zufügten, trug er nur wenig davon. Die Opfer reagierten alle gleich einfältig — verzweifelt, zerknirscht, manchmal auch wütend, aber durchweg mit einer panischen Angst vor kostspieligen gerichtlichen Auseinandersetzungen. Ich spielte meine Rolle — Schock, Empörung und plötzliche Schmerzen im Nacken oder Rücken — leidlich überzeugend, aber ich konnte diese Leute nicht ansehen. Das war keine Art von Trickserei, die mir lag, und ich stand es nur durch, indem ich auf den gleichen inneren Distanzierungsmechanismus rekurrierte, den ich auch einschaltete, wenn ich ein Leichenschauhaus betrat. Raymond interessierte natürlich nur das Versicherungsgeld, das er für die »Schäden« an seinem Wagen und die von uns erlittenen »Verletzungen« kassieren konnte. Seine betrügerischen Fähigkeiten waren durch langjähriges Training bis zur Virtuosität ausgebildet.
    Um vier befand er, sehr zu meiner Erleichterung, dass wir für heute genug getan hatten. Bei den ersten beiden Unfällen hatte ich am Steuer gesessen. Dann hatte er mich abgelöst. Jetzt nahm er die nächste Auffahrt auf den Freeway 405. Wir fuhren Richtung Süden, zurück zu unserem Apartment. Ich kam mir vor wie eine Handlungsreisende mit ihrem Chef. Die Fragen, die ich Raymond stellte, waren von jener banal-interessierten Art, wie man sie von einem strebsamen Trainee erwarten würde. »Wie sind Sie denn da drangekommen?«, forschte ich, gerade so, als fragte ich nach seinen Qualifikationen für eine Karriere bei der Encyclopaedia Britannica.
    »Der Boss, bei dem ich angefangen hab, hat’s mir gezeigt. Dann ist er eingebuchtet worden, und ich hab’ den Laden übernommen.«
    »So wie eine Beförderung?«
    »Kann man sagen. Genau. Ich hab’ einen ganzen Stall von Ärzten und Rechtsanwälten, die den Papierkram machen. Ich brauch’ das Ganze nur zu überwachen. Aber in ruhigen Zeiten mach’ ich schon mal selbst mit, so wie heute. Ich hab’ gern ein bisschen die Finger mit drin.«
    »Und Ihr Job ist was? Leute ranzuschaffen, die dann die Forderungen an die Versicherungen stellen?«
    »Na klar. Was denken Sie, was wir den ganzen Nachmittag gemacht haben? Momentan hab’ ich zehn Mann, die für mich arbeiten, aber das schwankt immer ein bisschen. Es ist schwer, gute Leute zu finden.«
    Ich lachte.
    »Das glaub’ ich.«
    »Ich will Ihnen was verraten. Das A und O, wenn Sie’s im Leben zu was bringen wollen: Passen Sie genau auf den Mann auf, der unter Ihnen auf der Leiter kommt. Erzählen Sie ihm nichts.«
    »Weil er einen sonst am Ende noch ausbootet?«
    »Genau. Das ist der Kerl, der drauf wartet, Ihnen ein Messer in den Rücken zu rammen. Nehmen Sie mal Luis. Ich liebe den Jungen wie einen Bruder, aber bestimmte Sachen erzähl’ ich ihm nicht, und gewisse Leute kriegt er nie zu sehen. Auf die Weise hab’ ich nichts zu befürchten. Verstehen Sie?«
    »Man kann wohl ganz gut davon leben?«
    Raymond schüttelte den Kopf. »Soll das ein Witz sein oder was? So gutes Geld machen Sie nirgends. Für mich springt so etwa ein Tausender pro Unfall raus. Kommt auf die Verletzungen drauf an. Und der Arzt oder der Chiropraktiker kassiert auch noch mal seine fünfzehnhundert.«
    »Hey, das ist ja Wahnsinn. Wie machen die das denn? Schlagen sie was auf die Rechnungen drauf?«
    »Manchmal. Oder sie berechnen gleich Sachen, die sie gar nicht gemacht haben. Die Versicherung kommt da sowieso nicht drauf, und der Doc macht seinen Schnitt, so oder so. Und dann ist ja noch der Anwalt mit drin«, sagte er. Er grinste durchtrieben. »Aber der größte Batzen geht natürlich an mich.«
    »Weil Sie das ganze Risiko tragen?«
    »Weil ich die ganze Kohle vorstrecke. Ich leg’ das Geld für die Autos hin, zahl’ die Leute im voraus. Kostet mich mindestens fünf, sechs Riesen, bis ich eine Crew auf der Straße hab’. Mal zehn, zwanzig Crews, sieben Tage die Woche. Da läppert sich ganz schön was zusammen.«
    »Klingt so«, schloss ich das Thema ab.
    Es folgte längeres Schweigen. Ich kam zwar mit der Rechnerei nicht ganz mit, aber so viel war klar: es ging um einen Haufen Geld. Ich lehnte den Kopf zurück. Es war nicht schwer, die Verlockung nachzuvollziehen. Für einen Mann wie Raymond war dieses Geschäft viel lohnender als jeder ehrliche Beruf. Verdammt noch mal, selbst ich konnte als Crash-Fahrerin wesentlich mehr verdienen als in

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