Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass
keinen Weg, dem zu entrinnen.
Tate sagte: »Passt du wenigstens gut auf sie auf?«
»Darin bin ich Weltklasse«, sagte ich. »Aber ich schwör’ dir, das ist das letzte Mal, dass ich irgendeinen Scheiß dieser Art für irgend wen mache.«
Er grinste. »Weil du lieber Arschtritte verteilen würdest.«
»Kluger Junge.«
Tate räumte den Billardkram weg, und wir gingen rüber zu den drei anderen, die in einer Sitznische hockten. Luis stand auf, und ich schlüpfte auf die Bank, gefolgt von Jimmy, der nur Augen für mich zu haben schien. Luis fand einen freien Stuhl und zog ihn an den Tisch. Das war wohl das erste Mal in meinem Leben, dass ich als »Strohfrau« bei einer gefährlichen Liebschaft fungierte. So versiert ich im Schwindeln bin — ich fand es ganz schön schwer, einen Flirt zu simulieren. Ich kam mir so steif und unecht vor. Das merkte natürlich auch Raymond, dem sein Radar sofort feindliche Geschwader im Anflug meldete. Ich merkte, wie seine Augen mein Gesicht absuchten, und spürte die halb formulierte Frage. Vielleicht würde er mich ja einfach für hoffnungslos verklemmt halten. Jedenfalls war meine Hölzernheit wohl nicht zu übersehen.
Tate fuhr fort, mich unter Bibiannas wachsamem Blick aufs Unverschämteste anzumachen. Sie heuchelte Gleichgültigkeit, aber ihr Interesse war offenkundig. Abgesehen davon, dass ich fast vor Angst starb, war ich froh, dass Jimmy aufgetaucht war. Ich hatte bisher noch gar nicht gemerkt, wie einsam ich mich fühlte. Natürlich war die Geschichte immer noch gefährlich — und mit ihm hier am Tisch sogar noch brenzliger als vorher — , aber ich wusste doch wenigstens einen Freund in meiner Nähe, und meine langjährige Erfahrung sagte mir, dass er jederzeit sein Leben für mich wagen würde.
Durch Jimmys Anwesenheit animiert, begann Bibianna den rituellen Tanz, wenn auch nicht offen. Sie strich Raymond um den Bart, schob ihren Arm unter seinen, schmiegte sich so an ihn, dass ihre Brust ihn provozierend streifte. Sie und Tate mieden jeden Blickkontakt und sahen so geflissentlich aneinander vorbei, dass ich sie für sehr unhöflich gehalten hätte, wäre mir die wahre Natur ihrer Beziehung nicht bekannt gewesen. Aber dieses Spiel war erst recht riskant. Die Röte stieg ihr in die Wangen. Ich sah das Aufflammen ihrer Sexualität, die wilde, archaische Reaktion auf die Nähe des Mannes, den sie begehrte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Raymond es nicht mitbekam. Das einzige Indiz für seinen inneren Zustand waren die Zuck-Anfälle, die jetzt im Minutenabstand kamen.
Er fühlte sich ganz offensichtlich als Platzhirsch herausgefordert. Ob er nun merkte, was lief, oder nicht — Tate war in jedem Fall ein männliches Wesen und nicht nur in sein Revier, sondern auch in die unmittelbare Nähe seiner Bibianna vorgedrungen. Raymond blies sich auf und verwickelte Tate in einen Abtausch von Prahlereien und großen Sprüchen, ein verbales Wettpissen. Ich weiß nicht, was unter Frauen das Äquivalent wäre. Ich hörte gar nicht hin, weil es doch nichts weiter war als blödes Brustgetrommel, angeheizt durch Alkohol und Testosteron. Ich mochte lieber gar nicht daran denken, wie Jimmy wohl reagieren würde, wenn er herausfand, dass Bibianna mit Raymond schlief. Die ganze Sache hätte mich vielleicht sogar amüsiert, wenn ich nicht so in meiner Angst gefangen gewesen wäre.
Luis war hellwach. Die ausdruckslose Maske fiel von ihm ab, und ich sah zum ersten Mal eine verschlagene Intelligenz in ihm arbeiten. Hinter seinen toten Augen lauerte ein quicklebendiges Tier, das seine Verstellungskünste nur umso gefährlicher machten. Der Funke erstarb wieder. Luis fläzte sich auf seinen Stuhl, den einen Arm über der Lehne. Er packte seine Bierflasche am Flals, setzte sie an den Mund und leerte sie mit tiefen Zügen. Als er mich das nächste Mal ansah, stand in seinen Augen wieder die alte Arroganz, die ganze Überheblichkeit des starken Mannes gegenüber den minderen Menschenwesen.
Ich dachte schon, der Abend würde nie zu Ende gehen. Die spanische Musik nervte. Sie war entweder laut und frenetisch oder deprimierend. Die Luft war dick von Qualm und Bierdunst. Ich wollte weiter nichts, als in Jimmys Nähe bleiben. Sein sonnengegerbtes Gesicht war meine einzige Zuflucht. Ich bestand darauf, dass er mit mir tanzte, nicht zuletzt, um ihn von Raymond fernzuhalten, der ja nicht auf den Kopf gefallen war. Vor lauter Stress tranken wir alle viel zu viel. Morgen früh würde mir hundeübel
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