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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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wobei ich gelegentlich den Lichtkegel einer Straßenlaterne durchqueren musste. Ich suchte mir eine Stelle in der Mitte des Blocks, wo eine Einfahrt durch den Zaun führte. Das Tor war rechts und links von Unkrautgestrüpp und zerzausten Sträuchern flankiert. Bei Tag wurde die nicht asphaltierte Zufahrt von den Abschleppwagen benutzt, die fahruntüchtige Autowracks herankarrten. Nach Feierabend wurde ein breites Tor vor die Zaunöffnung geschoben, mit einer Kette festgemacht und mit einem Vorhängeschloss gesichert. Ich drückte das Tor so weit auf, wie die Kette es zuließ. Der Spalt war etwa fünfundzwanzig Zentimeter breit. Ich hielt mich an dem Torpfosten fest und steckte mein rechtes Bein durch die Öffnung. Durch Schieben mit dem Hinterteil gelang es mir, den Zaunpfahl noch ein paar Zentimeter wegzudrücken. Ich wand Kopf und Schultern durch den Spalt und schlüpfte dann mit einer Pirouette vollends nach drinnen.
    Das Mondlicht übergoss die zerklüfteten Haufen aus rostigem Blech mit einem leichten Metallic-Schimmer. Ich kam mir vor wie in einem Auto-Beinhaus. Einige Wagen hatten sich überschlagen und waren völlig eingedrückt. Andere waren beim Aufprall auf Bäume, Brückenpfeiler oder Telefonmasten in zwei Teile zerfetzt worden. Abgerissenes Chrom und zersplittertes Glas, deformierte Räder und platte Reifen, Motoren, die sich durch Kühlerhauben gespießt hatten, in kaputte Vordersitze gebohrte Steuersäulen — dieser Musterkatalog der Zerstörung beschwor in mir grässliche Bilder herauf. Jedes dieser Wracks stand für ein Kapitel — oft wohl das letzte — im Leben eines Menschen, für Sirenen und Blaulichter, den Verlust einer geliebten Person oder den Auftakt zu einem Albtraum aus Schmerzen und enormen Kosten.
    Ich wartete, bis mein Herz aufgehört hatte, in meinen Ohren zu hämmern, und schlich mich dann die Zufahrt entlang zu den Büroräumen von Buddys Karosseriewerkstatt. Der Abschleppwagen, den ich am Nachmittag gesehen hatte, stand nicht mehr neben dem Trailer, aber Brutus war immer noch da, um zu wachen. Ich sah ihn schwarz und massig vor dem Behelfsbüro liegen. Ich ging in die Hocke, rief ihn sachte an und schnalzte leise in die Stille. Er zog die Beine unter sich, hievte sich in den Stand und kam bedächtig auf mich zugewackelt. Er schien vorsichtig ein Bein vor das andere zu setzen, mit ächzenden Knochen, angetrieben von der Erinnerung an die Kraft seiner Jugend.
    Ich streckte die Hand aus, und er beschnüffelte sie mit heiseren Lauten des Erkennens und der Freude. Ich widmete mich ihm ein paar Minuten, um ihn meiner guten Absichten zu versichern. Als ich mich wieder aufgerichtet hatte, begleitete er mich zu dem Trailer, wo er freundlich zusah, wie ich sämtliche Glaslamellen des Fensters aushängte. Ich steckte die Hand durch die Öffnung und ertastete eine solide hölzerne Fläche, die ich für einen unter dem Fenster postierten Schreibtisch hielt. Ich stapelte die Glaslamellen ordentlich auf der Tischplatte.
    Dann stemmte ich mich hoch, unter stetem, lobendem Geflüster in Richtung Brutus, der so heftig mit dem Schwanz wedelte, dass er fast umkippte. »Bin gleich wieder da«, sagte ich. Ich fädelte die Beine durchs Fenster und glitt in das pechschwarze Dunkel. Ich saß jetzt auf dem Schreibtisch, wo ich eine Addiermaschine, das Telefon und diverse Büroartikel ertasten konnte, und hängte die Glaslamellen wieder in ihre Metallhalterungen ein.
    Dann ließ ich mich von dem Schreibtisch hinunter. Ich blieb erst mal ein paar Minuten stehen, bis meine Augen sich an das Dunkel zu gewöhnen begannen. Normalerweise lasse ich mich ja auf diese kleinen Einbruchs-Nummern nur ein, wenn ich mein Handwerkszeug dabei habe: Taschenlampe und Dietriche, Klebeband und Stemmeisen. Diesmal hatte ich gar nichts, und ich fühlte mich dadurch erheblich gehandikapt. Ich wollte nur rasch die Aktenschränke kontrollieren, um festzustellen, ob Raymond hier irgendwo seine ganzen Papiere aufbewahrte. Sobald ich das geklärt hatte, würde ich mich schleunigst wieder verdrücken. Ich musste es wohl riskieren, Licht zu machen. Ich hatte den Alarmanlagen-Aufkleber nicht vergessen. War es Raymond zuzutrauen, dass er tatsächlich eine solche Anlage hatte installieren lassen, oder gehörte er zu den Leuten, die glauben, dass es zur Abschreckung genügt, so zu tun als ob? Schwer zu sagen. Er konnte ja manchmal ein echter Recht-und-Ordnungs-Fanatiker sein, wenn es ihm in den Kram passte.
    Ich tastete die Wand ab, bis ich

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