Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
selbst fertig zu werden. Wenigstens hatte ich weder hohe Absätze noch Strumpfhosen an, und da meine Fingernägel weder lackiert noch besonders lang sind, konnten sie während der Prozedur auch nicht leiden.
Inzwischen war der Laster auf den Highway eingebogen und hatte ungefähr hundert Meter hinter mir angehalten. Zehn oder zwölf Farmarbeiter sprangen von der Ladefläche und standen grinsend herum. Sie schienen sich auf meine Kosten prächtig zu amüsieren und riefen mir in einer fremden Sprache alle möglichen Vorschläge zu. Zwar konnte ich nicht übersetzen, was sie sagten, aber den Tonfall kapierte ich. Ich glaube nicht, dass sie mir Tipps gaben, wie man ein Rad richtig wechselt. Sie schienen ein gutmütiger Haufen zu sein, zu müde von der Arbeit mit der Kurzhacke, um mir etwas anzutun. Ich verdrehte die Augen und winkte ihnen, sie sollten weiterfahren. Das brachte mir ein anzügliches Pfeifen von einem der Kerle ein, der sich dabei an die Hoden fasste.
Ich beachtete sie nicht mehr, machte mich an die Arbeit und fluchte wie ein Schauermann, als der Laster weiterfuhr. In solchen Augenblicken neige ich dazu, mit mir selbst zu reden und mich anzutreiben. Es war mitten am Nachmittag, und die Sonne brannte unbarmherzig auf mich herunter. Die Luft war trocken, die Stille ungebrochen. Ich kenne die Wüste nicht gut. Für meine ungeschulten Augen schien die Landschaft ohne Leben. Vom Boden, auf dem ich saß und mit meinem Schraubenausdreher arbeitete, sah ich nur ganz in der Nähe einen völlig vertrockneten Mesquitebaum. Man hat mir erzählt, dass man, wenn man ganz genau aufpasst, das Scharren der Käfer hören kann, die sich einen Tunnel durch das tote Holz bohren, um ihre Eier abzulegen.
Eingehüllt in diese Abgeschiedenheit, konzentrierte ich mich auf meine Arbeit. Nach und nach gewöhnte ich mich an die Stille, wie die Augen sich an Dunkelheit gewöhnen. Ich hörte das Summen der Insekten und bemerkte jetzt erst die Grasmücken, die sich Käfer, Fliegen und Mücken im Flug schnappten. Die eigentlichen Bewohner der Mojave verlassen erst nachts ihre Lager: Klapperschlangen und Eidechsen, Eselhasen, Wachteln, die Eule und der Harris-Falke, der Wüstenfuchs und das Backenhörnchen, alle nach Beute suchend, darauf aus, sich gegenseitig zu fressen in einer gnadenlosen, raubgierigen Sequenz, die bei den Termiten beginnt und mit den Kojoten endet. Das ist kein Ort, an dem ich meinen Schlafsack ausrollen und mein kleines Haupt zur Ruhe legen möchte. Allein schon die Riesenspinnen lehren einen das Fürchten.
Zwanzig nach drei beendete ich erfolgreich meine Arbeit. Ich brachte das Rad mit dem Platten nach vorn, damit ich es im Kofferraum verstauen konnte. Etwas, das nicht hineingehörte, rollte klappernd darin herum, es klang wie ein Nagel oder ein Stein. Auf der Suche nach dem Schaden fuhr ich mit dem Finger am Reifen entlang. Das Loch war in der Seitenwand — eine zackige Perforierung, nicht ganz so groß wie die Spitze meines kleinen Fingers. Ich kniff die Augen zusammen, starrte es an, und mir wurde eiskalt. Ich traute meinen Augen nicht. Es sah wie ein Einschuss aus. Unwillkürlich stöhnte ich laut, als ich von einem wellenförmigen Schaudern gepackt wurde, wie man es oft als Kind erlebt, wenn man einen dunklen Raum verlässt. Ich hob den Kopf. Sah mich um. Nichts. Kein anderer Wagen in Sicht. Ich wollte hier weg.
Ich hievte das Rad hoch, legte es in den Kofferraum, holte schnell den Wagenheber und den Schraubenschlüssel, ging zur Fahrerseite und stieg ein. Ich startete den Motor, rammte den Gang hinein und machte, dass ich fortkam. Ich fuhr sehr schnell, ohne Rücksicht auf meinen Reservereifen, aber mir gefiel die Vorstellung nicht, hier draußen ganz allein zu sein. Es musste der Kerl in dem Lieferwagen gewesen sein. Mein Reifen war genau in dem Augenblick geplatzt, in dem er mich überholt hatte. Selbstverständlich hätte auch ein Stein den Schaden verursachen können, aber ich glaube nicht, dass er die Seitenwand des Reifens durchschlagen und ein so hübsches, sauberes Loch zurückgelassen hätte.
Die erste Tankstelle, zu der ich kam, war aufgegeben worden. Zwar standen noch die Zapfsäulen, aber die Fenster waren zerbrochen, und eine Graffiti-Girlande zierte den Sockel. Einheimische Inserenten benutzten die Stützpfeiler für ihre kunstvollen Plakate, und eine Immobilienfirma verkündete in großen Lettern, dass die Tankstelle zu verpachten sei. Eine tolle Chance, Leute.
Am Ortsrand von Niland, an
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