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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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ausgebrüteten Vogel. Was hat das Alter nur an sich, dass es uns direkt zur Geburt zurückführt? Sie roch fischig und scharf nach einer Mischung aus getrocknetem Urin und alten Turnsocken. Auf der Stelle begann ich die Idee zu verdrängen, sie in meinem winzigen Auto nach Santa Teresa mitzunehmen. Die Schwesternhelferin entschuldigte sich mit einem Gemurmel und machte schnell, dass sie davonkam.
    Ich streckte höflich die Hand aus. »Hallo, Agnes. Ich bin Kinsey Millhone.«
    »Ha?«
    Mrs. Renquist beugte sich zu Agnes vor und brüllte meinen Namen so laut, dass die beiden anderen alten Frauen im Zimmer wach wurden und zu quäken begannen. »Kinsey Millhone. Eine Freundin Ihrer Tochter !«
    Agnes wich zurück und warf mir einen misstrauischen Blick zu. »Von wem?«
    » Irene !«, brüllte ich.
    »Wer hat dich gefragt?«, entgegnete Agnes bockig. Mechanisch begann sie mit den Lippen zu schmatzen, als schmecke sie etwas, das sie vor fünfzig Jahren gegessen hatte.
    Mrs. Renquist wiederholte die Mitteilung, wobei sie sehr deutlich sprach. Ich sah, wie Agnes sich in sich selbst zurückzog. Einfältigkeit schien sich wie ein Schleier über ihren lebhaften Blick zu legen, und gleich darauf begann sie einen völlig sinnlosen Dialog mit sich selbst. »Sei still. Sag ja kein Wort. Nun, wenn ich will, kann ich auch. Nein, du kannst nicht. Gefahr, Gefahr, oooh — still, ganz, ganz still. Nicht mal eine Andeutung...« Dann gab sie eine geträllerte Variation von Good Night, Irene zum Besten.
    Mrs. Renquist verdrehte die Augen nach oben und seufzte kurz und ungeduldig auf. »Das zieht sie ab, wenn man etwas von ihr will und sie keine Lust dazu hat«, sagte sie. »Sie kriegt sich schon wieder ein.«
    Wir warteten einen Moment. Agnes gestikulierte jetzt auch, und ihre Stimme klang streitlustig. Sie nörgelte vor sich hin wie jemand, der in einem Supermarkt in der Schlange wartet, und der Kunde an der Kasse bezahlt nicht bar, sondern füllt umständlich einen Scheck aus. In welches Universum sie auch entwichen sein mochte, wir gehörten nicht dazu.
    Ich zog Mrs. Renquist beiseite und senkte die Stimme. »Warum lassen wir sie nicht eine Weile in Ruhe?«, sagte ich. »Ich muss ohnehin Mrs. Gersh anrufen und sie fragen, was sie tun will. Es ist doch sinnlos, ihre Mutter mehr aufzuregen als unbedingt nötig.«
    »Nun, da richte ich mich ganz nach Ihnen«, antwortete Mrs. Renquist. »Sie ist nur störrisch. Wollen Sie unser Bürotelefon benutzen?«
    »Ich telefoniere von meinem Motel aus.«
    »Vergessen Sie bitte nicht, Ihre Nummer zu hinterlassen, damit wir uns mit Ihnen in Verbindung setzen können.« Ihre Stimme verriet einen Anflug von Unbehagen, und in ihrem Blick entdeckte ich leichte Panik, weil sie offenbar befürchtete, ich könnte aus der Stadt verschwinden, ohne die nötigen Vorbereitungen für Agnes’ Umzug in die Wege zu leiten.
    »Ich gebe Mrs. Haynes die Nummer meines Motels.«
    Ich fuhr zum »Vagabond« zurück, wo ich zuerst Sergeant Pokrass im Büro des Sheriffs anrief und ihr berichtete, dass ich Agnes Grey gefunden hatte.
    Dann telefonierte ich mit Irene Gersh und sagte ihr, was ich mit Agnes erlebt hatte. Totenstille am anderen Ende der Leitung. Ich wartete, hörte ihren Atem an meinem Ohr.
    »Ich glaube, da muss ich vorher doch mit Clyde sprechen«, sagte sie endlich. Sie schien nicht besonders glücklich darüber, dass sie dazu gezwungen war, und ich hatte nur eine vage Vorstellung davon, wie er reagieren würde.
    »Was soll ich inzwischen tun?«, fragte ich.
    »Wenn es geht, bleiben Sie bitte, wo Sie sind. Ich rufe Clyde im Büro an, und Sie hören so schnell wie möglich von mir, aber bis zum Abendessen wird es wahrscheinlich dauern. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie noch einmal in die Slabs hinausfahren und Mutters Wohnwagen mit einem Vorhängeschloss sichern würden.«
    »Wozu?«, fragte ich. »Sobald ich den Rücken kehre, kommen die kleinen Monster wieder. Die Lüftungsklappe eines Fensters ist schon herausgebrochen. Wenn man diese Kids verärgert, werden sie wahrscheinlich alles kurz und klein schlagen.«
    »Ich habe den Eindruck, dass das schon passiert ist.«
    »Das stimmt allerdings. Aber es hat doch keinen Sinn, das Leben noch mehr zu komplizieren.«
    »Es ist mir egal. Ich finde die Vorstellung unerträglich, dass sich Eindringlinge dort herumtreiben, und ich will den Wagen auch nicht ganz aufgeben. Vielleicht sind noch Sachen drin, an denen sie hängt. Vielleicht will sie auch zurück, wenn sie

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