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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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fort. Ich ging gemächlich durch den Korridor und warf einen Blick ins Bad. Wie vermutet, benutzten sie ein Loch in der Wand als Notausgang.
    Zuallererst vernagelte ich ihren Fluchtweg mit den beiden Brettern, hämmerte Nagel um Nagel in die dünne Badezimmerwand. Dann bohrte ich mit dem Handbohrer die Löcher für den Vorleger vor und schraubte ihn fest. Ich kann nicht behaupten, dass ich mich besonders geschickt anstellte, aber ich schaffte es, und die körperliche Arbeit hatte meiner Stimmung gut getan. Es tat gut, einen Hammer zu schwingen. Es tat gut, zu schwitzen. Es tat gut, ein winziges Stück des Universums zu beherrschen. Da ich einmal hier war, durchsuchte ich rasch den Wohnwagen, ob noch ein paar von Old Mamas Sachen hier waren. Ich fand nichts. Die Schränke waren leer, die Schränkchen ausgeräumt, die verschiedenen Nischen und Winkel ebenfalls. Das meiste war wahrscheinlich auf dem Flohmarkt an der Straße verhökert worden.
    Ich ging zum VW und schnappte mir die Fünfunddreißig-Millimeter-Kamera von der hinteren Ablage. Der Film war noch nicht ganz voll, und ich knipste den Wohnwagen von allen Seiten. Anders würde Irene Gersh nicht kapieren, was hier los war, davon war ich überzeugt. Sie hatte geredet, als würde ihre Mutter in Slab-City einen goldenen Lebensabend genießen.
    Bevor ich das Vorhängeschloss einrasten ließ, rollte ich die Schlafsäcke und die übrige Habe der Monster zu einem Bündel zusammen und legte es draußen auf die Stufen. Dann ging ich über die Straße und erklärte Marcus, was ich getan hatte. Als ich zurückkam, entdeckte ich unter dem Wohnwagen einen schmalen Spalt, in den man hineinkriechen konnte, einen behelfsmäßigen Lagerraum mit ein paar Sachen, die hineingezwängt worden waren. Ich kniete nieder, griff ungeachtet der Käfer und Spinnen nach hinten und holte zwei vergammelte Kartons heraus. Einer war offen und enthielt eine kunterbunte Sammlung verrosteter Gartengeräte: eine Kelle, einen Spaten, eine kurze Hacke. Die oberen Laschen des zweiten Kartons waren über Kreuz geschlossen, damit der Inhalt nicht beschädigt wurde. Ich klappte die Laschen auf und warf einen Blick in den Karton. Er enthielt in Seidenpapier eingepacktes Porzellangeschirr, das Teeservice eines Kindes. Es schien nicht vollständig zu sein, aber ich dachte, Irene oder ihre Mutter würden es wahrscheinlich gern sehen. Auf keinen Fall wollte ich das Geschirr hier zurücklassen, damit die kleinen Monster es sich unter den Nagel rissen. Ich machte die Schachtel wieder zu. Dann ließ ich das Vorhängeschloss an der Tür des Wohnwagens zuschnappen. Zwar hatte ich keine Hoffnung, die kleinen Scheusale dadurch fern zu halten, aber ich hatte das Nötige getan. Ich trug den Karton zu meinem Wagen und schob ihn auf den Rücksitz. Es war noch hell, als ich die Slabs verließ, aber als ich den Reifen abholte und nach Brawley aufbrach, war es völlig dunkel geworden.
    In meiner Tasche steckte die Kugel aus dem Achtunddreißiger, die der Mechaniker aus dem Reifen geholt hatte. Ich konnte nicht mit Gewissheit sagen, was sie zu bedeuten hatte, doch da ich mir des nahe Liegenden stets deutlich bewusst bin, hatte ich eine ziemlich genaue Vorstellung davon.

6

    Ich fuhr zurück ins »Vagabond« und säuberte mich gründlich. Das Hemd knüllte ich zusammen, steckte es in die Segeltuchtasche, zog ein frisches T-Shirt an und schnallte das Schulterhalfter um. Ich legte meine Aktenmappe neben mich aufs Bett, nahm eine Schachtel PMC-Patronen heraus, lud meine Zweiunddreißiger und schob sie mir unter den linken Arm, wo sie überhaupt nicht auffiel. Eine Todesdrohung ist eine seltsame Sache. Sie kommt einem gleichzeitig abstrakt und absurd vor. Ich hatte keinen Grund, die Fakten anzuzweifeln. Ich stand auf Tyrone Pattys Abschussliste. Ein Kerl in einem Lieferwagen hatte mir auf einer einsamen Straße einen Reifen zerschossen. Das konnte natürlich ein idiotischer Streich gewesen sein, der nichts mit Pattys Drohung zu tun hatte, doch ich vermutete, der Kerl in dem Lieferwagen wäre zurückgekommen und hätte mir noch eine Kugel verpasst, wenn der Laster mit den Farmarbeitern nicht hinter mir angehalten hätte. Guter Gott. Gerettet von einer Wagenladung mexikanischer Landarbeiter, die mich mit obszönen Worten und Gesten beglückt hatten. Ich hätte entführt oder auf der Stelle umgebracht werden können. Ein gnädiges Schicksal hatte bewirkt, dass ich noch heil herumlief. Schwierigkeiten machte mir nur die Überlegung,

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