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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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was ich als Nächstes tun sollte. Mich an die hiesige Polizei zu wenden, hatte keinen Sinn. Ich wusste weder Marke noch Modell, noch Zulassungsnummer des Lieferwagens, und ich hatte auch den Fahrer nicht genau gesehen. Unter diesen Umständen würden die Polizisten mir vielleicht mitfühlend zuhören, aber konkrete Hilfe konnten sie mir nicht anbieten. Wie die Polizei in Santa Teresa wären sie sehr verständnisvoll, aber nicht sonderlich entschlussfreudig.
    Was dann? Eine Alternative war, meine Sachen in den Wagen zu werfen und auf der Stelle nach Santa Teresa zurückzugurken. Andererseits schien es mir nicht besonders klug zu sein, mich nachts auf die Straße zu wagen, besonders in einer Gegend wie dieser, wo man zehn Meilen weit fahren konnte, ohne ein einziges Licht zu sehen. Mein Freund im Lieferwagen hatte es schon einmal versucht. Besser, man gab ihm keine zweite Gelegenheit. Eine andere Möglichkeit war, einen hiesigen Privatdetektiv anzurufen und um Hilfe zu bitten. Die Gemeinschaft der Privatdetektive ist ziemlich klein, und wir beschützen uns gegenseitig. Wenn mir jemand helfen konnte, dann war das ein Kollege, der das gleiche Spiel spielte und die gleichen Risiken einging wie ich. Zwar bin ich stolz auf meine Unabhängigkeit, aber eine Närrin bin ich nicht und habe auch keine Angst davor, um Rückendeckung zu bitten, wenn die Situation es erfordert. Das ist eines der ersten Dinge, die man bei der Polizei lernt.
    Seltsamerweise hatte ich noch immer nicht das Gefühl einer ernsten Bedrohung. Es gab sie zweifellos, doch ich war nicht in der Lage, sie mit meiner persönlichen Sicherheit in Zusammenhang zu bringen. Mein Verstand sagte mir, dass dort draußen Gefahr lauerte, aber sie kam mir ungefährlich vor — eine Spitzfindigkeit, die tödlich sein konnte, wenn ich nicht aufpasste. Ich wusste, es wäre klug, die Situation ernst zu nehmen, aber ich brachte es einfach nicht fertig, Angstschweiß zu produzieren. Menschen im Anfangsstadium einer unheilbaren Krankheit reagieren wahrscheinlich genauso. »Du machst Witze... Wer? Ich?«
    Nach dem Telefonat mit Irene Gersh musste ich mir einen Schlachtplan einfallen lassen. Aber da ich am Verhungern war, wollte ich vorher etwas essen. Ich schlüpfte in einen weiten Anorak, der Schulterhalfter und Pistole erfolgreich verbarg.
    Am Ende der Straße war ein Café mit blinkender Neonleuchtschrift: Essen und Tanken. Genau das, was ich brauchte. Vorsichtig überquerte ich den Highway, wobei ich wie ein Kind zuerst nach beiden Seiten schaute. Jedes Fahrzeug, das ich sah, schien ein roter Kleinlieferwagen zu sein.
    Das Café war winzig, das Licht grell, aber irgendwie tröstlich. Durch Horrorfilme gründlich geschult, neige ich zu der Ansicht, dass Böses sich nur im Finstern ereignet. Albern wie immer. Ich suchte mir einen Platz mit einer Wand im Rücken und so weit wie möglich vom Fenster entfernt. Außer mir waren nur noch sechs Gäste da, die sich untereinander zu kennen schienen. Keiner kam mir bedrohlich vor. Ich studierte die Speisekarte, die aus einer Klarsichthülle und einem vervielfältigten Blatt bestand, mit verschmierter purpurfarbener Tinte geschrieben. Man hatte die Wahl zwischen cholesterinreich und fett. Ein Lokal, wie ich es liebe. Ich bestellte einen Deluxe-Cheeseburger-Teller, zu dem es Pommes frites, ein lasches Salatblatt und eine Scheibe künstlich gereifter Tomate gab. Ich trank eine große Cola und krönte das Mahl mit einem Stück Kirschkuchen, das mich laut aufstöhnen ließ. Das war der Kirschkuchen meiner Kindheit — sauer, glitschig und mit einer Gitterkruste, die von klebrigem geschwärzten Zucker zusammengehalten wurde. Der Kuchen sah aus, als sei er über einem Acetylen-Schneidbrenner gebacken worden. Die in diesem Essen enthaltenen Chemikalien machten mich völlig benommen. Ich schätzte, dass ich chemische Zusätze und Konservierungsmittel in einer Dosis zu mir genommen hatte, die ausreichte, mein Leben zwei Jahre zu verlängern — wenn man mich nicht vorher umbrachte.
    Auf dem Rückweg in mein Zimmer schaute ich kurz in die Rezeption hinein, um zu fragen, ob Nachrichten für mich da waren. Zwei Anrufe vom Pflegeheim waren notiert, ein dritter von Irene; sie hatte vor etwa zehn Minuten angerufen. Alle drei trugen den Vermerk dringend. O Mann! Ich schob die Zettel in die Tasche und marschierte hinaus. Nachdem ich ein Stück den Gehweg entlanggegangen war, blieb ich wie erstarrt stehen, weil ich das unheimliche Gefühl hatte, beobachtet

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