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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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meines Zimmers ein Wagen auf einen Parkplatz. Ich war sofort auf den Beinen und spähte durch die Jalousie. Ein Pärchen stieg aus einem Cadillac neuerer Bauart. Trotz der tiefen Dunkelheit sah ich, dass die beiden betrunken waren und sich in Hüfthöhe so fest aneinander klammerten, als wollten sie sich gegenseitig zerquetschen. Ich trat vom Fenster zurück, die Sinne durch Angst geschärft, als die beiden schwankend ins Nachbarzimmer stolperten. Wenn es Killer waren, hätten sie meinen Abgang gewiss nicht durch das lärmende Gefummel hinausgezögert, das in dem Moment anfing, in dem sie den Riegel vorschoben. Der Bettkasten begann unbarmherzig gegen die Zwischenwand zu schlagen, wie ein zorniges Kind, das mit den Absätzen auf den Fußboden trommelt. Gelegentlich traten Pausen ein, in denen die Frau ihrem glücklosen Gefährten Vorschläge unterbreitete. »Spring hier drauf wie ein junger Hund«, sagte sie. Oder: »Tu das alte kahlköpfige Ding hier rüber.«
    Auf meiner Seite der Wand fing der Elch einen munteren Stepptanz an. Ich musste hinaufgreifen und ihn fest halten, damit der Rahmen nicht vom Haken sprang und mir aufs Gesicht knallte. Sie schrie. Für mich klang es mehr nach einer Frau in den Wehen als nach einer Frau beim Liebesakt. Das Tempo steigerte sich. Schließlich jaulte sie erstaunt auf, doch ich konnte nicht sagen, ob sie kam oder aus dem Bett gefallen war. Ein Augenblick später drang der Geruch von Zigarettenrauch durch die Wand, und ich hörte ihre gemurmelte Manöverkritik. Zwölf Minuten später ging es schon wieder los. Ich stand auf, nahm das Bild von der Wand, stopfte die Körbchen meines BHs mit je einer Socke aus, setzte ihn wie einen Ohrenschützer auf und band die Enden unter dem Kinn zusammen. Es half nicht viel. Ich lag da, wie ein Außerirdischer mit einem Wulst auf jedem Ohr, und wunderte mich über die Seltsamkeiten menschlicher Sexpraktiken. Ich würde eine Menge zu berichten haben, wenn ich auf meinen Planeten zurückkehrte.
    Um Viertel vor fünf gab ich jede Hoffnung auf, noch einmal einschlafen zu können. Ich duschte, wusch mir das Haar und ging, in ein Motelbadetuch von der Größe eines Platzdeckchens gewickelt, in mein Zimmer zurück. Während ich mich anzog, fing sie an zu jodeln, und er heulte wie ein Fuchs. Ich hatte das Wörtchen »oh!« noch nie in so vielen Variationen gehört. Ich sperrte das Zimmer ab und lief zu Fuß über den Parkplatz.
    Die Wüstenluft duftete intensiv; frisch und kalt. Der Himmel war noch schwarz wie Tinte, dazwischen dunkelrote Streifen, die sich durch die tiefhängenden Wolken am Horizont zogen. Mir war fast schwindlig vor Müdigkeit, aber ich hatte nicht das Gefühl, in Gefahr zu sein. Sollte jemand mit einer Uzi im Gebüsch auf mich lauern, würde ich diese Welt in einem erhabenen Zustand der Ahnungslosigkeit verlassen.
    Im Café ging eben das Licht an, zitternde grüne Neon-Lettern, die das Wort CAFÉ mit einem einzigen Schwung hinzauberten, als werde Zahngel aus einer Tube gedrückt. Die Kellnerin in hellrosa Uniform gähnte und kratzte sich mit weit aufgerissenem Mund am Hintern. Der Highway war leer, und ich überquerte ihn ohne Eile. Ich brauchte Kaffee, Speck, Pfannkuchen, Saft und noch etwas, ich wusste nicht was, aber es sollte mich irgendwie an die Kindheit erinnern. Ich setzte mich, mit der Wand im Rücken, ganz hinten an den Tresen, weitab von der großen Fensterscheibe und dem grauen Dämmerlicht draußen. Die Kellnerin hieß Francis und war ungefähr so alt wie ich; ihr Akzent verriet, dass sie vom Land kam, und sie erzählte mir eine unendlich lange Geschichte über einen Typen namens Arliss, der sie planmäßig betrog — ganz zuletzt mit ihrer Freundin Charlene.
    »Aber diesmal ist es endgültig aus«, sagte sie, als sie eine Schüssel mit dampfender Hafergrütze vor mich hinknallte.
    Als ich mit dem Essen fertig war, wusste ich über Arliss alles, was es zu wissen gab, und sie wusste eine Menge über Jo-nah Robb.
    »Ich an Ihrer Stelle würde an ihm dranbleiben«, sagte sie, »aber nicht auf Kosten dieses Doktors, mit dem Ihre Freundin Vera Sie verkuppeln will. Auf den würde ich mich stürzen, klingt richtig süß, was Sie so von ihm erzählt haben, obwohl ich persönlich es mir zur Regel gemacht habe, mit keinem Mann auszugehen, der über meine Innereien mehr weiß als ich. Ich bin ja mal mit einem Doktor gegangen, na ja, eigentlich war er Medizinstudent, um bei der Wahrheit zu bleiben. Als wir uns das erste Mal küssten,

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