Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
Gleiche für sich.
Sie schlurfte davon, in huaraches, mexikanischen Riemchensandalen mit flachen Absätzen, zu denen sie weiße Socken trug. Ein paar Minuten später kam sie mit einem Tablett wieder, auf dem Gläser, zwei Flaschen Bier, eine kleine Schüssel mit Soße und ein Korb mit Tortillachips standen, die eben erst aus dem heißen Schweineschmalz genommen worden waren und noch zischelten.
Während wir auf unseren Lunch warteten, naschten wir Chips, die wir in die Soße tauchten.
»Woher kennen Sie Lee Galishoff?«, fragte ich. Auf der Flasche lag eine Zitronenscheibe, und ich träufelte ein bisschen Saft ins Bier. Die Gläser, die vom Spülen noch heiß waren, ließen wir beide stehen.
Dietz wollte nach seinen Zigaretten greifen und erinnerte sich erst dann, dass er sie weggeworfen hatte. Lächelnd schüttelte er den Kopf. »Ich habe mal für ihn gearbeitet. Für einen seiner ersten Prozesse hab ich einen Zeugen ermittelt. Seither spielen wir zusammen Racquetball und sind gute Freunde geworden. Wie steht’s mit Ihnen?«
Ich schilderte ihm kurz, wie ich Tyrone Patty für Galishoff aufgespürt hatte. »Ich nehme an, Sie haben schon früher als Leibwächter gearbeitet.«
Er nickte. »Es ist ein lukrativer Nebenjob, besonders heutzutage. Schränkt natürlich in gewisser Weise das eigene Privatleben ein, ist aber eine angenehme Abwechslung von der reinen Arbeit als Privatdetektiv, die stinklangweilig ist, wie Sie ja aus eigener Erfahrung wissen. Vorige Woche habe ich sechs Stunden in einem Büro der Finanzbehörde gesessen und Mikrofilmkarten angesehen. So was geht mir schrecklich auf den Geist.«
»Lee hat mir gesagt, Sie fühlen sich ausgelaugt.«
»Nicht ausgelaugt. Ich langweile mich. Bin jetzt seit zehn Jahren dabei und finde, dass sich etwas ändern muss.«
»Und was, wenn ich fragen darf?« Das Bier war sehr kalt, ein angenehmer Kontrast zu der Soße, die so scharf war, dass mir die Nase lief. Ich tupfte ständig mit einer Papierserviette daran herum wie ein Junkie, der einen Schuss braucht.
»Weiß ich noch nicht«, sagte er. »Bin eigentlich eher versehentlich in die Branche reingerutscht. Hab damit angefangen, die Autos von Leuten einzuziehen, die mit ihren Raten im Rückstand waren, und Mahnbescheide zuzustellen. Ray hat mich schließlich fest angestellt, weil er die Arbeit vor Ort hasste — viel zu rau für seinen Geschmack. Also hat er den Papierkram erledigt, und ich habe mir die faulen Kunden vorgenommen. Er war eine Intelligenzbestie, hatte hier oben wirklich was auf dem Kasten.« Er tippte sich an die Schläfe.
»Er hatte ? Warum die Vergangenheitsform? Was ist mit ihm passiert?«
»Er ist vor zehn Monaten nach einem Herzanfall tot umgefallen. Er joggte, stemmte Gewichte. Nach der Heirat gab er Alkohol, Zigaretten und Drogen auf und schlug sich nicht mehr die Nächte um die Ohren. Er hat ein Haus gekauft, sie haben ein Baby bekommen, und er war so glücklich wie ein Schwein, das sich im Schlamm suhlt. Und dann ist er gestorben. Mit sechsundvierzig. Vor einem Monat hat seine Witwe mit Andeutungen angefangen, dass ich die Lücke füllen sollte, die er hinterlassen hat. Das ist Quatsch. Nein, danke. Ich habe mich von ihr auszahlen lassen.«
»Sie haben in Kalifornien gelebt?«
Er winkte ab. »Ich habe überall gelebt. Geboren bin ich in einem Wohnwagen in einem Randbezirk von Detroit. Meine Mutter lag in den Wehen, und mein Vater wollte nicht anhalten. Als Kind bin ich weit rumgekommen. Vater arbeitete auf den Ölfeldern, und wir haben uns lange in L. A. aufgehalten — das war Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre während des großen Booms. Texas. Oklahoma. Die Arbeit war verdammt gefährlich, aber man konnte eine Menge Geld verdienen. Vater war ein Schläger und ein Tyrann und sehr fürsorglich, solange ich mich selber wie ein Rüpel aufführte. Er gehörte zu den Typen, die in einer Bar eine Schlägerei anfangen und das ganze Lokal auseinander nehmen — einfach so zum Spaß.
Wenn er mit seinem Boss aneinander geriet oder ihm etwas nicht passte, packten wir unsere Siebensachen und zogen weiter.«
»Wie haben Sie’s da geschafft, in die Schule zu gehen?«
»Wenn ich mich drücken konnte, habe ich mich gedrückt. Ich habe die Schule gehasst. Ist mir irgendwie sinnlos vorgekommen. Wie eine Vorbereitung auf etwas, das ich ohnehin nicht tun wollte. Ich wollte nie in einem Lebensmittelgeschäft arbeiten, wozu musste ich also wissen, wie viele Bushel ein Viertelscheffel sind?
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