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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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mir die Hände wusch, erhaschte ich in einer Spiegelscherbe auf dem Becken einen Blick auf mein Gesicht. Ich sah schlimmer aus als am Abend zuvor. Meine Stirn war schwarzblau, meine Augenhöhlen violett. Die roten Streifen darunter wirkten, als hätte ich Bindehautentzündung. Das trockene Wüstenklima hatte mein Haar angegriffen, so dass es jetzt aussah wie unterm Bett vorgekehrt. Ich konnte kaum glauben, dass ich mich in der Öffentlichkeit sehen lassen konnte, ohne dass die Leute bei meinem Anblick kreischten und mit den Fingern auf mich zeigten. Mein Kopf begann wieder zu hämmern.
    Dietz hatte die Rechnung bezahlt, während ich draußen gewesen war. »Sind Sie okay?«, fragte er, als ich wiederkam.
    »Sie haben nicht zufällig ein paar Schmerztabletten bei sich?«
    »Doch, aber im Wagen.«
    Er kaufte eine Dose Cola zum Mitnehmen. Während er den ganzen Wagen aufschloss, suchte er mit den Augen den Parkplatz ab. Er öffnete mir die Tür, wartete, bis ich saß, und ging dann erst zur Fahrerseite hinüber. Nachdem er den Sicherheitsgurt angelegt hatte, suchte er im Handschuhfach nach dem Fläschchen mit den Tabletten.
    »Sagen Sie mir Bescheid, wenn das Zeug nicht hilft. Ich habe Rezepte für alles.« Er warf einen Blick auf ein oder zwei Etiketts, fand, was er suchte, und schüttelte mir eine Tablette auf den Handteller. Ich murmelte einen Dank. Er zog die Lasche von der Coladose, und ich spülte das Medikament hinunter. Nach ein paar Minuten ließ der Schmerz nach, und bald darauf schlief ich ein.
    Ich wachte auf, als wir die Grenze von Ventura County passierten. Ich roch das Meer schon mit geschlossenen Augen. Die Luft war feucht und salzig, die Landschaft um uns herum saftig grün, ein kurioses Nebeneinander von Zederzypressen und Palmen. Nach der flachen Eintönigkeit der Wüste kam einem die Vegetation an der Küste üppig und fremd vor. Ich fühlte, wie jede einzelne Zelle in meinem Körper darauf reagierte und die Feuchtigkeit einsog. Dietz warf mir einen Blick zu. »Besser?«
    »Viel besser.« Ich richtete mich auf und fuhr mir mit den Händen durchs Haar, lockerte die plattgedrückten Strähnen. Das Medikament hatte mich schmerzfrei gemacht, aber ich hatte auch ein bisschen das Gefühl, neben mir zu stehen. Ich lehnte den Kopf wieder zurück und rutschte auf dem Sitz ganz tief hinunter. »Wie war der Verkehr?«
    »Das Schlimmste haben wir hinter uns.«
    »Wenn ich nicht bald unter die Dusche kann, bleibt mir nur noch der Selbstmord übrig.«
    »Es sind noch fünfundzwanzig Meilen.«
    »Kein Verfolger?«
    Er warf einen Blick in den Rückspiegel. »Warum sollte er hinter uns herfahren? Er weiß wahrscheinlich, wo Sie wohnen.«
    »Was für ein tröstlicher Gedanke«, sagte ich. »Wie lange wird die ganze Sache wohl dauern?«
    »Schwer zu sagen. Bis er aufgibt oder gefasst wird.«
    »Und wer wird ihn fassen?«
    Er lächelte. »Nicht ich. Mein Job ist es, Sie zu bewachen, nicht böse Buben zu fangen. Das überlassen wir der Polizei.«
    »Und was habe ich zu tun?«
    »Darüber reden wir morgen. Was ich vor allem verlange, ist Gehorsam ohne zu nörgeln und zu jammern. Das bringen die wenigsten Frauen fertig.«
    »Sie kennen mich nicht sehr gut.«
    Er schaute mir von der Seite her ins Gesicht. »Ich kenne Sie überhaupt nicht.«
    »Nun, hier ein kleiner Hinweis«, erwiderte ich trocken. »Meine Eltern sind bei einem Unfall ums Leben gekommen, als ich fünf war. Ich bin bei der Schwester meiner Mutter aufgewachsen. Das erste, das meine Tante zu mir sagte, war: >Regel Nummer eins, Kinsey — Regel Nummer eins< — und sie fuchtelte mir mit dem Finger dicht vorm Gesicht herum — >keine Heulerei.<«
    »Himmel!«
    Ich schüttelte den Kopf. »So schlimm war es gar nicht. Ich bin nur ein bisschen verschroben. Außerdem habe ich mich selbst entschädigt. Als sie vor zehn Jahren starb, habe ich monatelang geheult. Da ist alles rausgekommen. Ich war zwei Jahre bei der Polizei, habe aber den Dienst quittiert. Hab meine Uniform zurückgegeben, den Schlagstock zurückgegeben...«
    »Eine symbolische Geste«, warf er ein.
    Ich lachte. »Genau. Sechs Wochen später war ich mit einem Tagedieb verheiratet.«
    »Na, wenigstens hat die Geschichte ein Happy End. Haben Sie Kinder?«
    Wieder schüttelte ich den Kopf. »Kein einziges.«
    »Bei mir ist es das Gegenteil. Ich hatte nie eine Ehefrau, aber ich habe zwei Kinder.«
    »Wie geht denn das?«
    »Ich habe mit einer Frau zusammengelebt, die sich weigerte, mich zu heiraten. Sie

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