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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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einem Rosenzweig verziert war, im Ganzen etwa fünfzehn Teile — waren in dieselbe Ausgabe der Zeitung eingewickelt. Die Schachtel enthielt sonst nichts, was von Bedeutung gewesen wäre, und die Zeitungsartikel selbst waren ebenfalls völlig nichts sagend.
    »Ich denke, wir sollten Irene aus dem Bett herausholen und feststellen, was los ist«, sagte ich.
    Dietz griff nach seinem Wagenschlüssel, und wir gingen.

    Wir klingelten bei Gershs und warteten ungeduldig darauf, dass Jermaine uns einließ. Ich hatte geglaubt, sie habe während unserer Abwesenheit ein bisschen aufgeräumt, aber das Wohnzimmer sah noch genauso aus wie vor etwa einer Stunde, als wir es verlassen hatten. Die Couchkissen, auf die Irene eingedroschen hatte, lagen so unordentlich da wie vorher. Die Geburtsurkunde, der Totenschein und der Ordner mit der Aufschrift Wichtige Dokumente waren über den Couchtisch verstreut. Der Geruch von trocknendem Urin stieg mir in die Nase. Im Haus war es so still wie immer, als laufe das Leben selbst hier gedämpft und verschwommen ab.
    Als ich sagte, ich wolle Clyde oder Irene sehen, versteinerte Jermaines dunkles Gesicht. Sie verschränkte die Arme und unterstrich mit ihrer Körpersprache ihr Verhalten, das deutlich ablehnend war. Mrs. Gersh schlafe, sagte sie, und sie werde sie nicht wecken. Mr. Gersh habe sich ebenfalls ein bisschen aufs Ohr gelegt, und auch ihn werde sie nicht stören.
    »Es ist wirklich wichtig«, sagte ich. »Ich brauche nicht mehr als fünf Minuten.«
    Ihr Gesicht bekam einen eigensinnigen Zug. »Nein, Ma’am, ich werde die armen Leute nicht belästigen. Lassen Sie sie in Ruhe.«
    Ich sah Dietz an. Ein Schulterzucken war ihm ins Gesicht geschrieben. Ich wandte mich wieder an Jermaine. »Darf ich die Papiere mitnehmen, die ich vorhin hier gelassen habe?«
    »Was für Papiere? Da weiß ich nichts davon.«
    »Im Moment brauche ich nur die Formulare, die Irene und ich zusammen ausgefüllt haben«, sagte ich. »Reden kann ich auch später mit ihr.«
    Ihr Blick ruhte voller Misstrauen auf mir. Mein Gesicht blieb jedoch völlig ausdruckslos. »Na, dann holen Sie sie, in Gottes Namen«, sagte sie. »Wenn das alles ist, was Sie wollen.«
    »Danke.« Ich ging betont gemächlich zum Couchtisch und nahm die Geburtsurkunde und die ganze Dokumentenmappe an mich. Eine halbe Minute später standen wir auf der Veranda.
    »Warum hast du das gemacht?«, fragte Dietz, als wir die Stufen hinuntergingen.
    »Es schien mir ganz einfach eine gute Idee zu sein«, sagte ich.

22

    Ich bat ihn, um die Ecke herumzufahren und in einer schmalen Seitengasse zu halten. Wir parkten im von Sonnenflecken gesprenkelten Schatten einer alten Eiche, und ich untersuchte den Inhalt der Mappe mit den »wichtigen« Dokumenten. Keins davon sah irgendwie besonders wichtig aus. Ich entdeckte eine Abschrift des Testaments, die ich an Dietz weitergab. »Schau nach, ob etwas Überraschendes drinsteht.«
    Er nahm die zusammengehefteten Seiten und griff automatisch zu seiner Hemdtasche. Ich dachte, er suche eine Zigarette, doch er holte nur seine Lesebrille heraus, die jetzt dort steckte. Er setzte sie auf und sah mich an.
    »Na?«, sagte er.
    Ich nickte kritisch. »Die Brille steht dir gut. Wenn du sie trägst, siehst du aus wie ein verantwortungsbewusster Erwachsener.«
    »Findest du?« Er verrenkte den Hals, um sich im Rückspiegel betrachten zu können. Dann schielte er kräftig auf seine Nasenspitze und streckte die Zunge heraus, um zu zeigen, wie erwachsen er aussehen konnte.
    Er fing an, in dem Testament zu blättern, während ich mir Versicherungspolicen, den Rechtstitel für das Haus, die Kopie eines Abgaskontrollberichts für ein Fahrzeug und eine Flugversicherungspolice von American Express vornahm. »Gott, ist das langweilig«, sagte ich.
    »Das hier genauso.«
    Ich schaute zu ihm hinüber und sah, dass er den Text hastig überflog. Da widmete ich mich wieder meinen Papieren, nahm Irenes Geburtsurkunde in die Hand, hielt sie gegen das Licht und betrachtete sie mit zusammengekniffenen Augen.
    »Was ist das?«
    »Irenes Geburtsurkunde.« Ich wiederholte die Geschichte, die sie mir über den Lebenslauf für den Englischunterricht in der Oberstufe erzählt hatte. »Irgend etwas daran stört mich, aber ich komme nicht dahinter, was es ist«, sagte ich.
    »Es ist eine Fotokopie«, sagte er.
    »Ja, aber warum dieses ganze Tamtam deshalb?«
    »Lass mal sehen.« Er hielt die Urkunde gegen das Fenster und ließ das Licht durchscheinen.

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