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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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»Meine Konten sind gesperrt. Ich habe kein Geld. Haben Sie das kapiert? Kein Geld! Mein Sohn ist in Schwierigkeiten, und ich komme nicht einmal zu seinem Anwalt durch.«
    Ihr Leinenkostüm hatte nirgends auch nur das kleinste Fältelten, bei Leinen eine schwierige Sache, selbst bei einem Gemisch. Ich starrte in meinen Becher. Der Kaffee war inzwischen kalt geworden. Obenauf schwammen kleine Klümpchen Milchpulver. Ich hoffte von Herzen, ich würde ihr die Brühe nicht ins Gesicht kippen. Ich beobachtete meine Hand genau, um zu sehen, ob sie sich bewegte. So weit, so gut.
    Dana war inzwischen schon nicht mehr zu bremsen, überhäufte mich für weiß Gott was für Missetaten mit Beschimpfungen. Ich schaltete einfach ab. Es war, als sähe ich mir einen Stummfilm an. Ein Teil von mir hörte zu, auch wenn ich mich bemühte, den Ton nicht zu mir durchdringen zu lassen. Ich merkte, daß meine Lust, den Kaffeebecher zu schleudern, immer weiter zunahm. Im Kindergarten habe ich gebissen, der Impuls war der gleiche. Als ich noch bei der Polizei war, mußte ich einmal eine Frau festnehmen, weil sie einer anderen Frau ihren Drink ins Gesicht geschüttet hatte und das vor dem Gesetz als gewaltsame Körperverletzung gilt. »Die Gewalt, die notwendig ist«, hieß es da, »damit der Tatbestand der gewaltsamen Körperverletzung erfüllt ist, muß nicht groß sein und braucht nicht unbedingt Schmerz oder eine körperliche Verletzung zu verursachen noch braucht sie ein Mal zu hinterlassen.« Außer vielleicht auf ihrem Kostüm, dachte ich bei mir.
    Ich hörte nahende Schritte im Korridor hinter mir. Ich blickte zurück und sah Deputy Tiller mit einer Akte in der Hand. Er nickte mir kurz zu und verschwand durch die Tür.
    »Entschuldigen Sie, Tiller?«
    Er schaute noch einmal zur Tür heraus. »Haben Sie mich gerufen?«
    Ich sah Dana an. »Tut mir leid, daß ich unterbrechen muß, aber ich habe etwas mit ihm zu besprechen«, sagte ich und folgte Tiller in den Dienstraum. An ihrem verärgerten Blick sah ich, daß sie noch lange nicht mit mir fertig war.

23
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    Tiller, der am Aktenschrank stand, sah verwundert von der Schublade auf, in die er gerade den Hefter schob. »Was hatte denn das zu bedeuten?«
    Ich schloß die Tür und legte den Finger auf die Lippen, während ich hinter mich wies. Sein Blick flog zum Korridor. Er stieß die Schublade zu und winkte mir. Ich folgte ihm zwischen Schreibtischen hindurch in ein kleineres Büro, von dem ich annahm, es sei seines. Er schloß eine zweite Tür hinter uns und deutete auf einen Stuhl. Ich warf meinen leeren Kaffeebecher in den Papierkorb und setzte mich erleichtert.
    »Danke. Das war die Rettung. Mir ist nichts anderes eingefallen, um ihr zu entwischen. Wahrscheinlich brauchte sie jemanden, an dem sie ihren Frust auslassen konnte, und da hat sie mich erkoren.«
    »Freut mich, daß ich Ihnen behilflich sein konnte. Möchten Sie noch einen Kaffee? Wir haben hier hinten ganz frischen. Ihrer stammte wahrscheinlich aus dem Automaten.«
    »Danke, aber im Moment steht mir der Kaffee bis hier. Ich möchte schließlich auch noch schlafen können. Wie geht’s Ihnen?«
    »Gut. Ich habe gerade meine Schicht angefangen. Ich sehe, Sie haben uns den Jungen zurückgebracht.« Er setzte sich in seinen Drehsessel und lehnte sich zurück. Der Sessel quietschte.
    »Das war gar nicht so schwierig. Ich dachte mir, daß Jaffe ihn irgendwo in der Nähe versteckt haben müßte, und bin ein bißchen hausieren gegangen. Langweilig, aber nicht weiter schwierig. Und wie schaut’s hier aus? Weiß man schon, wie er rausgekommen ist?«
    Tiller zuckte mit den Achseln. Mit einigem Unbehagen. »Sie forschen noch nach.« Er wechselte das Thema, offenbar nicht bereit, mir Einzelheiten über die interne Untersuchung mitzuteilen. Im grellen Neonlicht sah ich, daß seine rotblonden Haare und sein Schnauzer von Grau durchzogen und die Augen von Fältchen umgeben waren. Die jungenhaften Konturen seines Gesichts waren erschlafft. Er mußte in Jaffes Alter sein. Ich sah mir mit müßigem Interesse seine Hände an und wurde plötzlich stutzig. »Was ist das?«
    Er fing meinen Blick auf. »Was, der Schulring?«
    Ich beugte mich vor. »Ist der nicht von der Cottonwood Academy?«
    »Sie kennen die Schule? Die meisten Leute haben nie davon gehört. Sie besteht schon seit, ich weiß nicht, wie vielen Jahren nicht mehr. Heutzutage gibt es fast keine reinen Jungenschulen mehr. Sexistisch nennt man sie, und vielleicht ist das ja

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