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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Erpressung war.«
    »Keine Erpressung. So war es nicht. Er hat mir nicht gedroht. Ich habe eine Schuld bezahlt.«
    »Aber das brauchten Sie nicht, als er es forderte.«
    »Ich habe getan, was ich tun wollte, und ich habe es gern getan.«
    »Ja, aber warum soviel riskieren?«
    »Haben Sie schon mal was von Ehre gehört? Ich war ihm etwas schuldig. Es war das wenigste, was ich tun konnte. Und es ist ja nicht so, als hätte ich ihm einen Kuchen mit einer Feile gebacken. Brian ist ein Früchtchen, das gebe ich gern zu. Ich mag den Jungen nicht, aber Wendell sagte mir, er würde ihn sofort aus dem Staat bringen. Er sagte, er würde die volle Verantwortung übernehmen, und ich hab’ mir gedacht, dann sind wir den wenigstens los.«
    »Ich glaube, das hat er sich inzwischen anders überlegt. Das heißt, ich habe unterschiedliche Berichte gehört«, korrigierte ich mich. »Michael und Brian hat er gesagt, er wolle sich stellen. Anscheinend wollte er Brian überreden, das gleiche zu tun. Aber seine Freundin behauptet, er hätte nie die Absicht gehabt, es wirklich zu tun.«
    Tiller wippte in seinem Drehsessel hin und her und starrte ins Leere. Verwundert schüttelte er den Kopf. »Ich verstehe nicht, wie er das durchziehen will. Was tut er?«
    »Sie haben gehört, daß das Boot weg ist?«
    »Ja. Die Frage ist, was will er mit dem Boot? Was glaubt er denn, wie weit er kommen wird.«
    »Tja, da werden wir einfach abwarten müssen«, sagte ich. »Aber ich muß los. Ich hab’ noch eine Dreißigmeilenfahrt vor mir und muß dringend mal wieder schlafen. Gibt es hier noch einen anderen Ausgang? Ich möchte nicht schon wieder Dana Jaffe in die Arme laufen.«
    »Durch die nächste Abteilung. Kommen Sie. Ich zeig’s Ihnen.« Er stand auf, kam um den Schreibtisch herum und führte mich in einen Korridor. Ich glaubte, er würde mich ermahnen zu schweigen, mir das Versprechen abnehmen, unser Gespräch vertraulich zu behandeln, aber er sagte kein Wort.

    Es war fast ein Uhr morgens, als ich in Santa Teresa ankam. Es waren nur wenige Autos und fast keine Menschen unterwegs. Die Straßenlampen warfen einander überlappende Lichtkreise auf die Bürgersteige. Die Geschäfte waren geschlossen, aber erleuchtet. Hin und wieder sah ich einen Obdachlosen, der in einer dunklen Gasse Schutz suchte, aber größtenteils waren die Straßen wie ausgestorben. Es begann endlich etwas kühler zu werden, und ein mildes Lüftchen vom Ozean machte die Feuchtigkeit wenigstens halbwegs erträglich.
    Ich war kribbelig und ruhelos. Es tat sich nichts. Brian saß im Gefängnis, und Jaffe war immer noch vermißt, was gab es da zu erforschen? Die Suche nach der Captain Stanley Lord lag jetzt in den Händen der Hafenpolizei und der Küstenwache. Selbst wenn ich ein Flugzeug hätte chartern können, um aus der Luft zu suchen — eine Ausgabe, die Gordon Titus niemals genehmigt hätte — , hätte ich aus solcher Höhe ein Boot nicht vom anderen unterscheiden können. Aber irgend etwas, dachte ich mir, mußte man doch inzwischen tun können.
    Ohne es bewußt zu wollen, fuhr ich einen Umweg und kroch über sämtliche Motelparkplätze zwischen meiner Wohnung und dem Jachthafen. Ich entdeckte Carl Eckerts Sportwagen auf dem Parkplatz des Beachside Inn, einem einstöckigen T-förmig angelegten Bau. Die Parkplätze waren in Reih und Glied nebeneinander aufgefädelt, jeder mit der Nummer des dazugehörigen Zimmers versehen. Alle Zimmer auf dieser Seite des Gebäudes waren dunkel.
    Ich fuhr einmal um das Haus herum, bis ich wieder auf dem Cabana Boulevard war. Ich parkte auf der Straße, ein Stück von Eckerts Motel entfernt. Ich steckte meine kleine Taschenlampe ein und ging zu Fuß zurück, froh, daß ich meine Tennisschuhe mit den Gummisohlen anhatte. Der Parkplatz war erleuchtet, die Lichter so gerichtet, daß sie die Gäste in ihren Zimmern nicht störten. Mein Schatten folgte mir lang und dünn über den Platz. Eckert hatte die Plane über den offenen Wagen gezogen. Ich sah mich gründlich um, ließ meinen Blick über die dunklen Fenster und den trübe erleuchteten Parkplatz schweifen. Nirgends rührte sich etwas. Nicht einmal den zuckenden graublauen Schein eines eingeschalteten Fernsehers sah ich hinter den Fenstern.
    Ich holte einmal tief Luft, dann begann ich, zuerst auf der Fahrerseite, die Plane zu öffnen. Ich schob meine Hand darunter und kramte in den Kartenfächern der Tür. Im Wagen herrschte tadellose Ordnung. Das bedeutete wahrscheinlich, daß er seine

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