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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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blase ich dir deine Kerze aus.«
    Der Mann war schon dabei, einen soliden schwarzen Schuh aufzuschnüren. Er zog ihn sich vom Fuß und warf ihn weg, um schleunigst eine schwarze Nylonsocke abzustreifen. Er sah aus wie ein netter, kleiner, dicker Opa. Und gleichzeitig wie ein Fünfjähriger, der bereit ist, brav zu sein, wenn er dafür ein Bonbon bekommt. Im Nebenzimmer begann Renata zu kreischen. Jaffe antwortete mit dröhnender Stimme, doch seine Worte waren nicht zu verstehen.
    Ich winkte meinem Freund neckisch zu. »Bin gleich wieder da«, zwitscherte ich und wackelte in Richtung Badezimmer. Dort legte ich seine Brille auf den Waschbeckenrand und drehte das kalte Wasser auf. Das Rauschen und Plätschern des Wassers übertönte alle anderen Geräusche. Ich schlüpfte in meine Bluse, schlich zur Tür und huschte auf den Korridor. Lautlos schloß ich die Tür hinter mir. Das Herz klopfte mir bis zum Hals. Schnell lief ich zu meinem Zimmer, zog den Schlüssel aus der Hosentasche, stieß ihn ins Schloß, drehte ihn, drückte die Tür auf und schloß sie wieder hinter mir. Ich legte die Kette vor und blieb einen Moment an die Tür gelehnt stehen. Keuchend knöpfte ich meine Bluse ganz zu. Ein Schauder überlief mich von Kopf bis Fuß. Es ist mir schleierhaft, wie die Prostituierten das schaffen. Puh!
    Ich ging zur Balkontür, schob sie zu und sperrte ab, bevor ich den Vorhang zuzog. Dann spähte ich durch den Spion in den Korridor. Der alte Säufer war aus seinem Zimmer gekommen und schaute, blinzelnd ohne seine Brille, nach rechts. Er hatte seine Bermuda-Shorts noch an, eine Socke ausgezogen, die andere noch am Fuß. Plötzlich kamen mir Zweifel, ob der Mann wirklich so betrunken war, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte. Er sah sich gründlich um, offensichtlich um sicherzugehen, daß niemand ihn beobachtete, dann trat er vor meine Zimmertür und versuchte, durch den Spion hereinzusehen. Ich wich unwillkürlich zurück und hielt den Atem an, obwohl ich wußte, daß er mich nicht sehen konnte.
    Ein zaghaftes Klopfen. »Miss? Sind Sie da drinnen?«
    Er drückte sein Auge erneut an den Spion und verdunkelte die kleine Lichtquelle. Ich schwöre, daß ich seine Fahne durch die Tür riechen konnte. Dann sah ich wieder Licht im Spion und näherte mich vorsichtig, um hinauszusehen. Er war ein paar Schritte zurückgetreten und schaute wieder unsicher den Korridor hinunter. Er bewegte sich nach links, und gleich darauf hörte ich, wie seine Zimmertür zufiel.
    Auf Zehenspitzen huschte ich zur Balkontür und stellte mich links an die Wand, um hinauszuspähen. Plötzlich schob sich hinter der Trennwand zwischen den Balkonen der Kopf des Mannes hervor. Er versuchte, einen Blick in mein verdunkeltes Zimmer zu werfen. »Huhuh«, flüsterte er. »Ich bin’s. Wir wollten doch feiern.«
    Der Bursche war heiß. Gleich würde er mit den Hufen stampfen und zu schnauben anfangen.
    Ich gab keinen Mucks von mir und wartete. Einen Augenblick später zog er sich zurück. Zehn Sekunden darauf läutete mein Telefon. Ich ließ es läuten, während ich mich ins Badezimmer tastete und mir im Dunkeln die Zähne putzte. Ich suchte mir meinen Weg zurück zum Bett, zog mich aus und legte meine Sachen auf den Sessel. Ich wagte es nicht, das Zimmer zu verlassen. Lesen konnte ich auch nicht, weil ich es nicht riskieren wollte, Licht zu machen. Aber gleichzeitig stand ich unter einer so starken Spannung, daß ich keinen Moment ruhig bleiben konnte. Schließlich lief ich auf Zehenspitzen zur Minibar und holte mir zwei kleine Flaschen Gin und etwas Orangensaft heraus. Ich setzte mich ins Bett und trank Screwdriver, bis ich schläfrig wurde.
    Als ich am nächsten Morgen aus meinem Zimmer trat, war die Zimmertür des Säufers geschlossen und am Türknauf hing ein Bitte-nicht-stören-Schild. Bei Jaffe stand die Tür offen, niemand war da. Im Korridor zwischen den Zimmern stand der Wagen des Zimmermädchens. Ich warf einen Blick ins Zimmer und entdeckte das Mädchen, das gerade den gefliesten Boden wischte. Sie stellte den Schrubber weg, lehnte ihn neben der Badtür an die Wand, nahm dann den Papierkorb und trug ihn in den Flur hinaus.
    » ¿Donde están? « sagte ich in der Hoffnung, dies heiße »wo sind sie«.
    Sie war offensichtlich klug genug, um zu wissen, daß es keinen Sinn hatte, ihre Antwort mit Partizipien und unregelmäßigen Verben zu pfeffern. Da hätte ich ja doch nichts verstanden. So, wie ich es hörte, sagte sie etwa: »Weg...

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